Die Abenteuer des Röde Orm
während das vor sich ging, und schnalzte mit den Fingern, und als Orm fertig war, setzte er die Flasche an den Mund und trank sie leer. Den anderen Pfeil hatte er selbst herausgezogen.
Orm holte nun eine Faust Silbermünzen hervor und gab sie ihm. Das machte das Gesicht des Mannes aufleuchten, und er nahm das Geld gern entgegen.
In der Nähe standen einige Pferde bei ihren gefallenen Herren. Sie scheuten zurück, als Orm und der Schreiber sich ihnen näherten, aber auf einen besonderen Lockruf des Patzinakers kamen sie herbei und ließen sich einfangen.
Dem Verwundeten wurde nun auf ein Pferd geholfen. Er legte das verletzte Knie vorn auf den Sattel und ritt in dieser Weise ebenso gewandt wie sonst. Der Schreiber wollte nicht gern mitkommen, aber Orm war kurz angebunden und sagte, es müsse sein.
»Wenn du Umstände machst, drehe ich dir den Hals um«, sagte er. »Ich bin es, der jetzt zum Gefangenen der Patzinaker wird, nicht du.«
Der Schreiber murmelte etwas davon, daß dergleichen nicht zu den Obliegenheiten eines Schreibers vom Steueramt gehöre, aber er fügte sich, und es wurde nicht mehr über die Sache geredet.
Sie ritten nun über das Grasland hin, über das die Patzinaker geboten. Ein nichtsnutzigeres Land, sagte Orm später, könne man lange und wahrscheinlich vergeblich suchen; denn weder Wald noch Wasser, weder Menschen noch Tiere waren zu sehen, sondern nur Gras und die weite Öde; und mitunter auch wohl eine Art großer Ratten, die zwischen Grasbüscheln umherhuschten. Zweimal brachte der Patzinaker sein Pferd zum Stehen und redete, zu Boden weisend, auf den Schreiber ein, bis dieser vom Pferde stieg und die Kräuter pflückte, auf die jener hinzeigte. Die hatten breite Blätter, und der Patzinaker wickelte sie um sein Knie und band sie mit einer Bogensehne fest. Das schien den Schmerz in seiner Wunde zu lindern, und er ritt unverdrossen weiter.
Als die Sonne die halbe Mittagshöhe erreicht hatte, gelangten sie zum Lager der Patzinaker. Es lag in einer Bodensenkung, durch die ein Bach lief, und Hunderte von Zelten standen an den Ufern. Bei der Annäherung der drei Reiter erhoben Kinder und Hunde großen Lärm, und überall sah man Männer und Pferde. Der Patzinaker ritt stolz mit seiner Gefolgschaft heran, und als man ihm vom Pferde half, zeigte er das Silber vor, das er erhalten hatte; dabei wies er auf Orm.
Orm ließ nun sagen, daß er mit dem Häuptling zu reden wünschte, aber niemand schien das zu begreifen, bis endlich ein säbelbeiniger Mann herbeikam, der den Schreiber verstand und ihm in seiner eigenen Sprache antworten konnte.
»Sag ihm dies«, befahl Orm: »Heute nacht, im Kampf bei den Stromschnellen, habt ihr meine beiden sehr jungen Söhne gefangengenommen. Ich bin ein Häuptling und kam hierher, um sie freizukaufen. Und um meine Ehrlichkeit und meine freundliche Gesinnung zu beweisen, nahm ich keine Waffen mit.«
Der Krummbeinige zupfte sich nachdenklich an seinem langen Schnurrbart und redete eine Weile mit dem Verwundeten. Orm schien das eher Eulenschrei als menschliche Rede zu sein, doch konnten jene einander offenbar mühelos verstehen. Viele der Umherstehenden grinsten Orm breit an, indem sie ihre Messer zogen und sich mit ihnen quer über den Hals fuhren. Das war, sagte Orm nachher, der schlimmste Augenblick, denn es hätte bedeuten können, daß sie seinen Söhnen schon den Garaus gemacht hatten. Aber er hoffte, daß sie damit nur andeuten wollten, wie sie mit ihm selbst zu verfahren gedachten, und das war ihm weniger wichtig als Svarthövdes Rettung. Er sagte dem Schreiber: »Frage sie, ob die beiden Gefangenen leben.«
Der Krummbeinige nickte und rief die drei Männer herbei, denen die Gefangenen gehörten.
»Du sollst ihnen sagen«, sagte Orm, »daß ich die Gefangenen für viel Silber freikaufen will. Sie sind meine Söhne.«
Nun begannen die drei eifrig zu schwatzen, aber der Krummbeinige bedeutete Orm und dem Schreiber, ihm zu den Häuptlingen zu folgen. Sie gelangten zu drei Zelten, die größer waren als die anderen, und in das mittlere gingen sie hinein.
Drei alte Männer mit rasierten Köpfen saßen in Lederpelzen kreuzbeinig auf Schaffellen am Boden und aßen Brei aus einer großen Tonschale. Der Krummbeinige blieb am Eingang stehen und bedeutete Orm und dem Schreiber durch Zeichen, sich schweigend zu verhalten. Die drei Alten aßen mit großer Würde, sie pusteten auf die Löffel und schmatzten zufrieden. Als die Schüssel leer war, leckten sie ihre
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