Die Abenteuer des Röde Orm
während Orms Leute eifrig dabei waren, verschossene, noch brauchbare Pfeile aufzusammeln, hörte man Hufgetrappel, das in der Ferne verklang.
Orm befahl, die umherliegenden verwundeten Feinde nicht zu töten. »Laßt sie liegen«, befahl er. »Ihre Stammesbrüder kommen gewiß zurück, um sie zu holen.«
Seine eigenen Verwundeten wurden rasch auf den Karren gelegt. Sieben Männer waren nun tot; sie wurden aufgehoben und mitgenommen, um später, sobald sich Zeit dazu fand, ehrenvoll begraben zu werden. Jetzt beeilte man sich, zum Schiff zu gelangen, bevor die Patzinaker zurückkamen.
Fastes Schreiber war verschwunden. Als jetzt aber der Karren weitergefahren wurde, zeigte es sich, daß er unter diesem eingeschlafen war. Er wurde mit Speerschäften geweckt und gründlich ausgelacht, behauptete aber, da er Steuerbeamter sei, ginge dieser Kampf ihn nichts an, er habe bloß vermeiden wollen, jemand im Wege zu stehen, und zudem sei er von der Wanderung müde gewesen. Die Männer mußten zugeben, daß dieses Schlafen während des Kampfes nicht wenig für ihn sprach.
Nun begegneten sie bald Toke und seinen Männern, und die Freude auf beiden Seiten war groß. Ihm hatten die Feinde nicht viel zu schaffen gemacht; sie waren, als er ihnen mit Pfeilen und Heerruf begegnete, sehr bald verschwunden. Auch ihre Pfeile, meinten die Männer, seien nun wahrscheinlich verschossen gewesen.
Jetzt waren sie beim Schiff angelangt, und Orm schaute sich um. »Wo hast du denn die Knaben?« fragte er Toke.
»Die Knaben? Die hattest du doch bei dir.«
»Ich schickte sie das Ufer entlang, um dich zu Hilfe zu rufen«, sagte Orm, und seine Stimme klang fremd.
»Was mag aus ihnen geworden sein?« fragte Toke bekümmert. »Ich hörte Pferdegetrappel und Heerruf und sah die Patzinaker hierherreiten und wieder wenden; da ging ich an Land, um dir zu Hilfe zu kommen. Aber von den Knaben habe ich nichts gesehen.«
Nun berichtete einer von Tokes Mannen, daß, bevor das Schiff noch angelegt habe, drei Patzinaker zu Fuß die Klippen herab zum Ufer gekommen seien, wobei sie irgend etwas mit sich geschleppt hätten. Es mögen Tote oder Verwundete gewesen sein. Sie seien zu ihren Pferden gegangen, und er selbst habe nicht mehr daran gedacht, weil das Schiff angelegt und der Kampf begonnen habe.
Orm stand sprachlos da. Er nahm den Helm ab und ließ ihn zu Boden fallen. Barhäuptig, das Gesicht dem Flusse zugewandt, saß er lange am Ufer auf einem Stein, und niemand wagte, ihn zu stören. Die Männer standen flüsternd beieinander und blickten nach ihm hin, und auch Toke schwieg und wußte sich keinen Rat. Spof und der Schreiber trugen die Verwundeten an Bord.
Endlich stand Orm auf. Er trat auf Toke zu und löste das Wehrgehänge seines Schwertes Blauzunge; und da durchfuhr alle, die das sahen, ein großer Schreck.
»Ich gehe zu den Patzinakern«, sagte er. »Warte du hier drei Tage lang mit dem Schiff. Wenn Svarthövde zurückkommt, soll er das Schwert haben. Wenn keiner von uns kommt, bring es für Harald nach Haus.«
Toke nahm das Schwert entgegen. »Nun steht es schlimm«, sagte er.
»Den Schatz verteile gerecht«, sagte Orm, »wie ich, wäre ich am Leben geblieben, es getan hätte. Er hat Tostes Geschlecht wenig Glück gebracht.«
Wie Orm Svarthövde auslöste und einem alten Freunde begegnete
Orm nahm den Schreiber mit sich und machte sich auf, um die gefallenen Patzinaker zu untersuchen. Sie fanden einen verwundeten jungen Mann, den ein Pfeil in die Seite getroffen hatte; ein zweiter Pfeil saß ihm im Knie. Der Mann schien aber guten Mutes zu sein; er saß da und nagte an einem Stück Dörrfleisch, in der anderen Hand hielt er eine lange hölzerne Flasche.
Er schien einiges von dem, was der Schreiber ihm sagte, zu verstehen und war sichtlich froh, daß die beiden nicht gekommen waren, um seinen Kopf zu holen. Orm ließ ihm durch den Schreiber sagen, daß sie ihm auf ein Pferd helfen und ihn in sein Dorf begleiten wollten. Als der Schreiber das mehrere Male wiederholt hatte, nickte jener und wies auf sein Knie. Der Pfeil war hinter der Kniescheibe von einer Seite zur anderen hindurchgegangen, so daß seine Spitze auf der inneren Seite hervorragte. Er selbst hatte nicht vermocht, ihn herauszuziehen. Orm schnitt nun die Lederhose des Mannes auf, lockerte den Pfeil eine Weile lang in der Wunde und schob ihn vor, bis die Eisenspitze hervorsah, so daß sie abgeschnitten und der Pfeil herausgezogen werden konnte. Der Patzinaker pfiff leise,
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