Die Abenteuer des Röde Orm
sich um starke Ruderer handelte, wurden sie verschnitten und mußten weiterrudern; und obschon man die Sklaven nie zu Frauen gehen ließ, war ihnen diese Strafe doch von allen die schlimmste.
Selbst in seinem Alter wußte Orm noch, wenn er von seiner Zeit als Rudersklave erzählte, welchen Platz jeder seiner Landsleute auf dem Schiff gehabt hatte, und auch auf die Plätze der meisten anderen konnte er sich besinnen. Er konnte beim Erzählen von Ruder zu Ruder sagen, was für Männer dort gesessen hatten, welche von ihnen am meisten gepeitscht wurden und welche starben, und wie andere an ihre Stelle kamen. Er sagte, daß es ihm nicht schwerfalle, sich das alles ins Gedächtnis zu rufen; denn im Traum sei er noch oft auf diesem Schiff und sehe angespannte Rücken und harte Peitschennarben vor sich; und er höre das Stöhnen der Männer bei strengem Rudern und dazu stets auch hinter sich die herannahenden Schritte des Aufsehers. Sein Bett mußte aus gutem Bauholz sein, wenn es bei diesem Traum nicht aus den Fugen gehen sollte, denn er stemmte sich dagegen wie auf der Ruderbank. Er sagte, ein größeres Glück könne es nicht geben, als wenn man beim Erwachen merke, daß alles nur ein Traum gewesen sei.
Drei Ruder vor Orm, ebenfalls auf der Backbordseite, hatte Krok seinen Platz, und er war nun ein ganz anderer geworden. Es war Orm und den anderen klar, daß das Los eines Rudersklaven für ihn schwerer war als für sie, denn er war es gewohnt, zu befehlen und hatte sich lange auf sein Glück verlassen. Nun war er schweigsam und antwortete nur selten, wenn die ihm zunächst Sitzenden das Wort an ihn richteten; und obschon ihm das Rudern bei seinen großen Kräften leicht fiel, tat er es wie im Halbschlaf und schien ständig in Gedanken an anderes versunken zu sein. Mitunter wurde er so langsam, daß sein Ruder aus dem Takt geriet; dann bekam er vom Aufseher scharfe Schläge. Niemand hörte ihn dabei klagen oder auch nur einen Fluch murmeln; er packte bloß das Ruder hart an und kam wieder in den Takt; aber sein Blick folgte nachdenklich dem Aufseher, wenn er weiterging, so wie man wohl eine Bremse, der man nicht beikommen kann, betrachtet.
Kroks Ruderkamerad war ein Mann namens Gunne; der klagte darüber, daß Krok ihm viele Peitschenhiebe einbrachte, aber Krok gab ihm auf sein Klagen wenig Antwort. Schließlich einmal, als der Aufseher sie beide stark geschlagen hatte und Gunne mehr als gewöhnlich klagte und böse war, blickte Krok ihn an, wie wenn er ihn erst jetzt bemerkte und sagte: »Geduld, Gunne, du sollst durch mich nicht mehr lange Verdruß haben. Ich bin ein Häuptling und für derlei nicht geschaffen. Aber ich habe zuvor eine Sache zu besorgen, wenn mein Glück noch dazu langt.«
Darauf sagte er nichts mehr, und Gunne konnte nicht aus ihm herausbringen, welches die Sache war, um die es ihm zu tun war. Dicht vor Orm saßen zwei Männer namens Halle und Ögmund; zwischen ihnen war viel von den guten Tagen die Rede, die sie einst gehabt hatten, von Speisen und von Bier und von Mädchen in ihrer Heimat; sie dachten sich viele Todesarten für den Aufseher aus, konnten aber nicht herausbringen, wie an ihn heranzukommen wäre. Orm selber saß mit einem schwarzbraunen Fremden zusammen, dem für irgendeine Übeltat die Zunge abgeschnitten worden war. Er war flink mit dem Ruder und bekam selten die Peitsche, aber Orm hätte lieber einen Landsmann neben sich gehabt, oder wenigstens jemand, der reden konnte. Am schlimmsten war es für Orm, daß der Zungenlose, der nicht reden konnte, um so mehr hustete und daß sein Husten schlimmer war, als Orm je einen gehört hatte. Er wurde dann grau im Gesicht und schnappte nach Luft wie ein gefangener Fisch und sah so elend aus, daß man ihm nicht viele Tage mehr geben konnte. Das machte Orm seiner eigenen Gesundheit wegen ängstlich. Das Leben eines Rudersklaven hatte gewiß nicht viel Wert für ihn, aber an Husten wollte er nicht sterben, soviel wußte er, wenn er den Zungenlosen hörte. Solche Gedanken machten ihn niedergeschlagen, und er wünschte, er hätte Toke in der Nähe gehabt. Toke saß mehrere Ruder hinter Orm; sie konnten nur selten miteinander reden, wenn sie an Land oder zurück zum Schiff geführt wurden; denn im Sklavenhause saßen sie zu viert angepflockt in kleinen Zimmern, wie es ihrem Platz an den Rudern entsprach. Toke hatte seine alte gute Laune behalten und konnte immer noch etwas finden, worüber man lachen konnte. Er war oft uneinig mit seinem Kameraden
Weitere Kostenlose Bücher