Die Abenteuer des Röde Orm
Augen ausfressen. Ich habe Lieder gedichtet, die in ganz Malaga gesungen werden, und wenige der heute lebenden Dichter taugen so viel wie ich.«
Orm meinte, daß im Reiche des Kalifen an Dichtern offenbar kein Mangel sei, denn er habe schon früher einen getroffen. Khalid sagte, in gewissem Sinne seien sie zahlreich, denn viele versuchten es mit der Dichtkunst, aber wirkliche Dichter gebe es nur wenige. Sie fingen nun an, sich gut zu vertragen, obschon Khalid ein schlechter Ruderer war und blieb und mitunter fast nichts schaffte, da seine Hände vom Rudern wund wurden. Er erzählte Orm bald, wie es gekommen war, daß man ihn auf die Ruderbank gesetzt hatte. Er mußte vieles mehrere Male sagen und mit anderen Worten erklären, denn er war schwer zu verstehen, aber schließlich begriff Orm das meiste. Khalid sagte, sein Unglück komme daher, daß das schönste Mädchen in Malaga den Statthalter des Kalifen in eben dieser Stadt zum Vater habe. Dieser Statthalter sei ein Mann von niedriger Geburt und böser Gesinnung, aber die Schönheit seiner Tochter sei so groß, daß nicht einmal ein Dichter etwas Schöneres erträumen könne. Auf einem Erntefest habe Khalid sie zufällig unverschleiert gesehen; darauf habe er sie mehr als alle anderen Frauen geliebt und ihr zu Ehren Lieder gedichtet, die so süß seien, daß sie im Munde zerschmölzen; und von einem Dach in der Nähe ihres Hauses habe er sie sehen können, wenn sie auf ihrem Dache allein gewesen sei. Er habe sie freudig gegrüßt und die Arme nach ihr ausgestreckt und sie dazu gebracht, den Schleier wieder zu heben.
Das sei ein Zeichen gewesen, daß auch sie ihn liebe, und ihrer großen Schönheit wegen sei er nun wie verzückt gewesen.
In der Gewißheit, daß das Mädchen ihm wohlwolle, habe er ihrer Dienerin reiche Geschenke gemacht und in der Folge eine Botschaft an die Schöne senden können. Darauf sei der Statthalter verreist, um beim Kalifen über sein Amt Rechenschaft abzulegen, und das Mädchen habe Khalid eine rote Rose zugesandt. Er habe sich nun als altes Weib verkleidet und mit Beihilfe der Sklavin die Schöne mehrere Male besucht und mit ihr der Liebe Freuden genossen. Aber eines Tages sei er auf der Straße von ihrem Bruder mit dem Schwert angerannt worden, und in der nun folgenden Schlägerei habe er jenen dank eigener größerer Waffengewandtheit verwundet. Aber nach der Rückkehr des Statthalters sei er ergriffen und diesem vorgeführt worden.
Hier verfinsterte sich Khalids Gesicht vor Raserei; er spuckte gehässig aus und verwünschte laut schreiend den Statthalter. Darauf fuhr er fort: »Dem Gesetz nach konnte er mich nicht anklagen. Allerdings hatte ich eine Liebelei mit seiner Tochter gehabt, aber zum Entgelt hatte ich schöne Lieder auf sie gedichtet, und daß ein Mann von meinem Geschlecht die Tochter eines Berbers niedriger Herkunft nicht heiraten kann, das sah sogar ihr Vater ein. Seinen Sohn hatte ich verwundet, aber er hatte mich überfallen, und nur meiner Milde hatte er es zuzuschreiben, daß er mit dem Leben davonkam. Ein rechtschaffener Mann wäre mir dankbar gewesen, aber der Statthalter ging mit seiner Bosheit, die die größte in ganz Malaga ist, zu Rat, und so verfiel er auf das Folgende – hör es, o Heide, und staune!«
Orm hörte willig zu, obschon viele Worte ihm unbekannt waren, und auch die Männer auf den Bänken ringsum horchten hin, denn Khalid erzählte seine Erlebnisse mit lauter Stimme. Er fuhr fort: »Der Statthalter ließ eines meiner schönsten Gedichte vorlesen und fragte, ob ich es gemacht habe. Und ich antwortete, daß jedermann in Malaga dieses Gedicht kenne und wisse, daß ich der Dichter sei, denn es war eine Verherrlichung Malagas und das beste Gedicht, das je auf diese Stadt gemacht worden ist. Und im Gedicht kamen diese Verse vor:
>Doch eins steht fest: wenn je bei uns der Prophet geschmeckt Nur wenige Tropfen vom Wein, den Malagas Trauben geben, Dann hätte er nimmermehr – wie er in Verblendung tat In seinem gestrengen Buch verboten den Saft der Reben. Nein, fröhlich beim Becher, den Bart gefeuchtet vom roten Naß, Hält’ er durch Preisen des Weins verbessert Lehre und Leben.<«
Nachdem Khalid dies hergesagt hatte, brach er in Tränen aus und sagte, dieser Verse wegen sei er zum Rudern verurteilt worden. Denn der Kalif, der der Wächter der rechten Lehre und Stellvertreter des Propheten auf Erden sei, habe bestimmt, daß, wer den Propheten schmähe oder seine Lehre tadele, streng zu bestrafen
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