Die Abenteuer des Röde Orm
ihm schmerzten; aber nach einiger Zeit spürte er nicht mehr viel von Müdigkeit. Seine Stärke nahm ständig zu, und er mußte achtgeben, daß er nicht zu hart zugriff und das Ruder zerbrach, das er nun wie einen Span in den Händen fühlte. Denn ein zerbrochenes Ruder führte zu strenger Zurechtweisung mit der Peitsche. Die ganze Zeit lang, die er Rudersklave des Kalifen war, saß er an einem Backbordruder, und daher entstand bei ihm die Eigenheit, daß er, der rechtshändig auf die Ruderbank gesetzt worden war, sie als Linkshänder verließ. Sein ganzes späteres Leben hielt er sowohl Löffel wie Schwert in der Linken; nur den Speer schleuderte er nach wie vor mit der rechten Hand. Die Kraft, die er auf diese Weise gewann, war größer als die anderer Männer; sie blieb ihm erhalten und minderte sich nur wenig im Alter.
Aber außer dem Wachsen des Bartes und dem Zunehmen seiner Kraft gab es noch ein drittes Anzeichen dafür, daß die Zeit, während er sich am Ruder mühte, verging: er fing allmählich an, etwas von der Sprache der Fremden zu verstehen; zuerst nur das eine oder andere Wort, doch später mehr und mehr. Einige Sklaven stammten aus fernen Ländern in Süd und Ost und redeten eine Sprache, die sich wie Hundegekläff anhörte und die nur sie selber verstehen konnten; andere waren gefangene Christen aus dem Norden und hatten ihre Sprache für sich; aber viele waren Andalusier, und man hatte sie ans Ruder gesetzt, weil sie Räuber und Anführer waren oder weil sie den Kalifen durch neue Lehren von ihrem Gott und ihrem Propheten erzürnt hatten. Diese redeten arabisch wie ihre Herren. Auch der Aufseher mit der Peitsche redete diese Sprache, und da es für jeden Ruderer von Vorteil war, seine Wünsche zu verstehen, wurde er für Orm, ohne daß es ihn Mühe kostete, ein guter Sprachlehrer.
Es war eine unbeholfene Sprache, die schwer zu verstehen und noch viel schwerer zu reden war; sie hatte Laute, die tief unten im Halse saßen und am ehesten dem Rabengekrächze und dem Quaken der Frösche glichen, und Orm und seinen Kameraden schien es seltsam, daß diese Fremden sich die Mühe machten, so schwierige Laute hervorzupressen, statt, wie die Bewohner des Nordens, auf Menschenart zu reden. Aber Orm zeigte sich in dieser Sprache gelehriger als alle anderen, vielleicht, weil er der Jüngste war, oder auch, weil es ihm seit je leicht gefallen war, schwere Worte, wie sie in alten Dichtungen vorkamen, zu behalten, auch wenn er ihren Sinn nicht verstand.
So kam es, daß Orm der erste war, der zu verstehen anfing, was ihnen gesagt wurde, und er allein war imstande, einige Worte zu antworten. Daher wurde er der Wortführer und Dolmetscher seiner Genossen, so daß man die Befehle an ihn richtete, und er mußte für die anderen vieles durch Fragen an die Ruderer, die Arabisch konnten und Bescheid wußten, in Erfahrung bringen. Obgleich er der jüngste der Nordmänner und ein Sklave wie alle anderen war, glich seine Stellung mit der Zeit der eines Häuptlings, denn weder Toke noch Krok konnten die fremde Sprache erlernen; und später sagte Orm stets, daß nächst Kraft, Waffengewandtheit und Glück nichts in der Fremde mehr nützen könne als die Fähigkeit zu lernen.
Das Schiff war mit fünfzig Kriegern bemannt, und die Zahl der Ruderer, die an achtzehn Paar Rudern saßen, betrug zusammen zweiundsiebzig. Von Bank zu Bank wurde viel von der Möglichkeit gemurmelt, aus den Fesseln herauszukommen, das Kriegsvolk zu übermannen und die Freiheit zu gewinnen; aber die Fußeisen waren stark und wurden genau nachgesehen; wenn das Schiff vor Anker lag, wurden stets Wachen ausgestellt, und sogar beim Kampf gegen feindliche Schiffe waren einige vom Kriegsvolk dazu bestimmt, nach den Sklaven zu sehen und jeden, der unruhig werden wollte, zu töten. Wenn sie in einem der großen Kriegshäfen des Kalifen an Land geführt wurden, sperrte man sie in Sklavenhäusern ein, bis die Schiffe wieder ausliefen; sie wurden unter strenger Aufsicht gehalten und durften nie in Gruppen beisammen sein. So schienen sie alle nichts anderes erwarten zu können, als zu rudern, solange das Leben währte, oder bis irgendein feindliches Schiff das ihre besiegen und sie dann vielleicht befreien werde. Aber der Kalif hatte viele Schiffe, und sie waren stets in der Übermacht, daher war auch auf diese Möglichkeit kaum zu rechnen. Wer es mit Zank und Schmähungen versuchte, wurde zu Tode gepeitscht oder lebend über Bord geworfen; aber mitunter, wenn es
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