Die Abenteuer des Röde Orm
legte, wurde jeden Abend von seinen Dienern in ein seidenes Säckchen gesammelt und mit nach Cordova genommen. Er hatte bestimmt, daß er mit dem Staube von allen seinen Kriegen gegen die Christen begraben werden sollte, denn der Prophet hatte gesagt: »Selig sind, die im Krieg gegen die Ungläubigen staubige Wege gewandelt sind.«
Aber all diesem Staube zum Trotz wollte doch das Bangen Almanzurs vor Allah nicht weichen, und zuletzt beschloß er, eine größere Tat zu tun als je zuvor und die heilige Stadt der Christen in Asturien zu zerstören, wo der Apostel Jakob, der große Wundertäter, begraben lag. Im zwölften Jahr des Kalifen Hischam, das für Orm und seine Mannen das vierte in Almanzurs Dienst war, sammelte dieser im frühen Herbst eine größere Heeresmacht als je zuvor und zog gen Nordwesten durch das »Leere Land«, die alte Grenzmark zwischen Andalusiern und Christen.
Er erreichte jenseits der Einöde die Landstriche der Christen, in denen seit Menschengedenken noch kein andalusisches Heer erschienen war, und nun gab es täglich Kampf, denn die Christen verteidigten sich gut in Hohlwegen und zwischen Bergen. Eines Abends, als das Heer sich gelagert hatte und Almanzur nach dem Abendgebet in seinem Zelt ruhte, machten die Christen einen Überfall, der ihnen anfangs zu gelingen schien; eine Schar brach in das Lager ein, großer Lärm erhob sich, Heerrufe und Hilfeschreie ertönten. Almanzur eilte aus seinem Zelt, um zu sehen, was es gab; er trug Helm und Schwert, war aber ohne Brünne. Orm und zwei seiner Leute, Halle und Rapp, standen an diesem Abend Wache an der Zelttür. Plötzlich galoppierten einige feindliche Reiter auf das Zelt zu, und als sie Almanzur gewahrten, erkannten sie ihn an seinem grünen Helmtuch (denn er war der einzige im Heer, der diese Farbe trug). Sie heulten vor Eifer auf und warfen ihre Speere nach ihm. Es war schon halbdunkel; Almanzur konnte als alter Mann nicht schnell genug ausweichen, aber Orm, der ihm zunächst stand, sprang vor und warf ihn vornüber zu Boden. Dabei fing er zwei Speere mit dem Schilde auf und einer traf seine Schulter. Ein vierter Speer ritzte Almanzur, dort wo er am Boden lag, in der Seite, so daß Blut hervortrat. Halle und Rapp sprangen auf die Feinde zu und schleuderten ihre Speere. Sie brachten einen Mann zu Fall; und nun kamen Leute von allen Seiten herbei, und die Christen wurden getötet oder vertrieben.
Orm zog den Speer, der ihn getroffen hatte, heraus und half Almanzur auf die Füße. Er wußte nicht recht, wie der es aufnehmen werde, daß er gewagt hatte, ihn umzuwerfen. Aber Almanzur war mit seiner Wunde zufrieden, denn es war die erste, die er je erhalten hatte, und für ihn bedeutete es ein großes Glück, sein Blut für Allah vergießen zu dürfen, zumal da der Schaden, den er genommen hatte, nicht groß war. Er ließ drei Oberste seiner Reiterei herbeirufen und machte ihnen vor den versammelten Hauptleuten den Vorwurf, das Lager schlecht bewacht zu haben. Sie warfen sich weinend ihm zu Füßen und bekannten ihr Versäumnis. Almanzur war milde gestimmt und wie es dann seine Gewohnheit war, ließ er ihnen genügend Zeit, ihre Gebete zu sprechen und sich die Bärte aufzubinden, bevor ihnen die Köpfe abgeschlagen wurden.
Halle und Rapp erhielten jeder eine Handvoll Gold. Zuletzt, während noch alle Hauptleute des Heeres versammelt dastanden, ließ Almanzur Orm vortreten. Er blickte ihn an und sagte: »Du hast die Hand an deinen Herrn gelegt, Rotbart, und das darf ein Krieger nicht tun. Und dadurch, daß du mich zu Boden warfst, hast du meine Ehre gekränkt. Was hast du dazu zu sagen?«
»Viele Speere waren in der Luft«, antwortete Orm, »und da war keine andere Wahl. Und ich glaube, Herr, daß deine Ehre so hoch steht, daß sie durch solches nicht Schaden nehmen kann. Zudem fielst du nach vorn, dem Feinde zu, so daß niemand behaupten kann, du seist vor ihm gewichen.« Almanzur saß still da und fingerte an seinem Bart; darauf nickte er und sagte: »Deine Verteidigung scheint mir gut. Und mein Leben hast du gerettet – auch das mag etwas wert sein.«
Er ließ nun aus seiner Schatztruhe eine schwere goldene Kette holen. »Ich sehe, daß du einen Speer in die Schulter erhalten hast, und das magst du gespürt haben. Aber hier ist etwas, den Schmerz zu stillen.«
Er hängte Orm die Kette um den Hals, und das war eine seltene Ehre; danach standen Orm und seine Mannen noch höher in Almanzurs Gunst. Toke betrachtete die Kette und freute
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