Die Abenteuer des Röde Orm
sich, daß Orm eine solche Kostbarkeit erhalten hatte. »Und so viel ist sicher«, sagte er, »daß man keinem besseren Fürsten als Almanzur dienen kann. Aber dennoch scheint es mir sowohl für dich, Orm, wie auch für uns andere ein großes Glück, daß du ihn nicht auf den Rücken geworfen hast.«
Nun zog das Heer weiter, und schließlich kamen sie zur heiligen Stadt der Christen, wo der Apostel Jakob begraben lag und wo ein großes Heiligtum über seinem Grabe erbaut worden war. Da gab es Kampf; und weil die Christen glaubten, daß ihr Apostel ihnen helfen werde, kämpften sie, so lange sie konnten; doch schließlich wurden sie von Almanzur übermannt, und die Stadt ward erstürmt und verbrannt.
Man hatte große Schätze aus dem ganzen Lande hierher gebracht, denn diese Stadt war noch nie von einem Feinde bedroht worden; viele Gefangene wurden gemacht, und es gab große Beute. Almanzur wollte, daß vor allem die große Kirche über dem Apostelgrabe zerstört werde, die aber war von Stein und konnte nicht verbrannt werden. Daher mußten Gefangene und Leute aus seiner eigenen Mannschaft sich daran machen, sie abzubrechen. Im Turm hingen zwölf große Glocken, die die Namen der Apostel trugen; die gaben schönen Klang und wurden von den Christen als etwas Wunderbares geschätzt, aber am meisten die größte von ihnen, die Jakob hieß. Almanzur befahl, daß diese Glocken von den christlichen Gefangenen nach Cordova gebracht würden, damit sie dort in der großen Moschee – aufwärts gerichtet wie Becher – mit wohlriechendem Öl gefüllt würden, um dann als brennende große Lampen hinfort der Ehre Allahs und des Propheten zu dienen. Sie waren schwer zu tragen, und man verfertigte für sie große Bahren; sechzig Gefangene sollten umschichtig je eine tragen. Aber die Jakobsglocke war allzu schwer, so daß keine Bahre für sie gemacht werden konnte; und auch auf Ochsenwagen konnte sie nicht über die Bergpfade gefahren werden. Dennoch wollte Almanzur diese Glocke unter keiner Bedingung zurücklassen, denn er hielt sie für seine schönste Beute.
Da ließ er eine Plattform bauen, auf die die Glocke gestellt werden sollte, um dann auf Rollen zu einem nahen Fluß geschleppt und von dort auf einem Schiff nach Cordova gebracht zu werden. Als die Plattform fertig war und Rollen unter sie gelegt worden waren, steckte man Stangen unter den Glockenbügel, und eine Menge Leute versuchten, sie auf die Plattform zu heben; doch die Südländer waren dazu nicht groß und kräftig genug, und als sie, damit noch mehr Leute mitheben könnten, längere Stangen nahmen, brachen diese, und die Glocke blieb auf dem Boden stehen. Orm und seine Leute kamen hinzu und lachten.
»Für sechs erwachsene Männer wäre es nicht schwer, sie zu heben«, sagte Toke.
»Ich glaube«, sagte Orm, »daß es schon mit vieren geht.«
Darauf traten er und Toke und Ögmund und Rapp, der Einäugige, an die Glocke heran; sie setzten eine kurze Stange in den Bügel und hoben die Glocke auf die Plattform.
Almanzur, der gerade vorbeiritt, hatte gehalten, um das mit anzusehen; er rief Orm zu sich und sagte: »Allah – gepriesen werde sein Name! – hat dir und deinen Männern große Kraft verliehen, und mir scheint, daß ihr die Rechten seid, diese Glocke auf ein Schiff zu schaffen und sie nach Cordova zu bringen; denn andere können nicht mit ihr hantieren.« Orm verneigte sich vor ihm und sagte, dieser Auftrag scheine ihm nicht schwer.
Darauf ließ Almanzur unter den Gefangenen eine Schar kräftiger Sklaven auswählen; die sollten die Glocke zum Fluß, wo er segelbar wurde, hinunterschleppen, und dann auf einem dort liegenden Schiff, das den Asturiern weggenommen worden war, als Ruderer dienen. Zwei Beamte aus Almanzurs Kanzlei wurden mitgeschickt, die Fahrt zu überwachen. Nun wurden an der Plattform Stricke befestigt, und mit Glocke und Schleppern zogen Orm und seine Leute ihres Weges; einen Teil der Sklaven hatte man vorgespannt, andere sorgten dafür, daß die Rollen richtig in Gang blieben. Es war eine mühsame Reise, denn meist ging es bergab, und mitunter nahm die Glocke Reißaus, so daß zu Anfang einige Sklaven von den Rollen zerquetscht wurden. Doch Orm ließ an der Plattform auch hinten Stricke anbringen, so daß man sie an abschüssigen Stellen zurückhalten konnte. Nun ging es besser, und sie kamen zum Fluß hinab, wo das Schiff lag.
Es war ein Handelsschiff, nicht groß, aber wohl gebaut und überdeckt; es hatte zehn Paar Ruder und auch
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