Die Abenteuer des Röde Orm
an ihnen; darauf schüttelte er den Kopf und schickte einen Diener nach frischem Ochsenblut und frischer Galle in die Küche.
»In einem solchen Fall ist nur das Beste gut genug«, sagte er. »An die Zutaten ist immer große Sorgfalt zu wenden, mag auch die Reliquie noch so stark sein.«
Nun war eine gute Weile vergangen, und König Harald sah aus, wie wenn seine Schmerzen ihn nun weniger plagten. Er richtete den Blick auf Orm und Toke und schien es sonderbar zu finden, daß die Fremden ausländische Kriegerrüstung trugen, nämlich Almanzurs rote Mäntel und verzierte Schilde; und ihre Helme hatten Nasenschienen und reichten tief über Nacken und Wangen herab. Er gab ihnen ein Zeichen näherzutreten.
»Wessen Leute seid ihr?« fragte er.
»Wir sind deine Leute, Herr König«, antwortete Orm. »Aber wir sind aus Andalusien hierhergekommen. Dort dienten wir dem mächtigen Herrn Almanzur von Cordova, bis zwischen ihm und uns Blut floß. Anfangs war Krok von Lister unser Häuptling, und mit ihm und seinen Schiffen hatten wir uns auf die Fahrt gemacht. Aber er ist nun tot, und viele mit ihm; und ich bin Orm, Tostes Sohn, von Kullen in Schonen, und ich bin nun der Häuptling derer, die noch übrig sind. Wir sind mit dieser Glocke zu dir gekommen, als wir hörten, daß du Christ geworden seist, denn sie schien uns ein gutes Geschenk für dich zu sein, Herr König. Ob sie Macht hat gegen den Zahnschmerz, wissen wir nicht, aber auf dem Meere hat sie uns sehr geholfen. Sie war die größte Glocke über dem Grabe des heiligen Jakob in Asturien, wo es viele seltsame Dinge gab; wir kamen mit unserem Herrn Almanzur dorthin, und er hielt sie für eine große Kostbarkeit.«
König Harald nickte, ohne etwas zu sagen, aber eine der jungen Frauen, die zu seinen Füßen kauerten, wandte den Kopf und sah zu Orm und Toke auf. Sie sagte sehr rasch auf arabisch: »Im Namen Allahs des Barmherzigen, seid ihr Mannen Almanzurs?« Erstaunt, am Hofe König Haralds diese Sprache zu hören, blickten Orm und Toke auf sie nieder. Sie war schön anzusehen. Sie hatte große braune Augen, die breit in einem bleichen Gesicht lagen; ihr Haar war schwarz und hing in zwei langen Zöpfen von den Schläfen. Toke hatte es nie soweit gebracht, mühelos arabisch zu sprechen, aber es war nun schon lange her, daß er mit einer Frau geredet hatte, und daher war er mit seiner Antwort bald fertig und sagte: »Du könntest aus Andalusien sein. Da habe ich Frauen gesehen, die dir glichen, obschon nur wenige ganz so schön waren.«
Sie lächelte ihn schnell mit weißen Zähnen an, sah aber gleich wieder traurig aus.
»Du siehst, o Fremdling, der du meine Sprache redest, was mir durch meine Schönheit geworden ist«, sagte sie mit weicher Stimme. »Hier sitze ich, eine Andalusierin von kelbitischem Stamm, schamlos unverschleiert, als Sklavin bei den Heiden der äußersten Finsternis und knete die alten verdorrten Zehen dieses Blauzahns. In diesem Lande gibt es nichts als Kälte und Dunkelheit und Felle und Läuse und eine Speise, die die Hunde von Sevilla ausspeien würden. In Wahrheit, vor dem, was meine Schönheit mir eingebracht hat, bleibt mir nur die Zuflucht zu Allah.«
»Für die Beschäftigung, die du eben hast, scheinst du mir zu gut zu sein«, sagte Toke freundlich. »Du solltest einen Mann finden, der mit anderem als mit seinen Zehen zu dir kommt.«
Sie lächelte ihn wieder strahlend an, obschon ihr Tränen in den Augen standen. Aber nun rührte sich König Harald und sagte erzürnt: »Wer bist du, der du hierherkommst und mit meinen Frauen die Rabensprache plapperst?«
»Ich bin Toke, ein Sohn des Grägulle von Lister«, antwortete er, »und mein Schwert und mein Mundwerk ist alles, was ich besitze. Und ich meinte nicht, daß ich es an Ehrfurcht gegen dich fehlen ließ, als ich mit einer deiner Frauen ins Gespräch kam. Sie fragte mich nach der Glocke, und ich gab Antwort; und sie meinte, daß sie ein ebenso gutes Geschenk für dich sei wie sie selber, und dir gleichfalls von Nutzen sein werde.«
König Harald öffnete nun wieder den Mund, um zu antworten, aber da verfinsterte sich sein Gesicht; er tat einen Ausruf und warf sich rücklings in die Polster, so daß die beiden jungen Frauen umgeworfen am Boden lagen. Er hatte wieder heftiges Reißen in seinem schlimmen Zahn.
Nun gab es Unruhe in der Kammer, und die dem Bette des Königs zunächst standen, wichen vor seiner Gewaltsamkeit zurück. Aber Bruder Willibald war unterdessen mit seiner
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