Die Abenteuer des Röde Orm
sich hin, aber dann leuchtete sein Gesicht auf.
»Nun aber, da Gott dieses große Wunder hat geschehen lassen, werden Bruder Willibald und ich es leichter haben. In den Schriften der Gelehrten habe ich allerdings noch nie den heiligen Jakob als Schutzheiligen gegen Zahnschmerz genannt gesehen; aber seiner eigenen Glocke, die geradewegs von seinem heiligen Grabe kommt, muß doch große Macht gegen alles Böse innewohnen, also auch gegen schlimme Zähne. Und daher bist du, Häuptling, dem Bruder Willibald und mir und allem christlichen Vorhaben in diesem Lande ein Bote Gottes.«
»Weiser Meister«, sagte Orm, »wie heilst du Zahnschmerzen mit einer Glocke? Ich und meine Leute sind in fernen Ländern gewesen und haben dort viel Merkwürdiges gesehen; aber dieses scheint mir von allem das Seltsamste zu sein.«
»Wir Gelehrten«, sagte Bruder Matthias, »kennen zwei verschiedene Verfahren, und beide sind gut. Aber meiner Ansicht nach – und Bruder Willibald ist darin gewiß mit mir einig – ist die alte Vorschrift des heiligen Gregorius die beste. Und die wirst du gleich angewandt sehen.«
Sie hatten nun den Wall und das Pfahlwerk erreicht, und das große äußere Tor wurde ihnen von einem alten Torwächter geöffnet, während ein anderer in die Lure blies zum Zeichen, daß Fremde angekommen seien. Bruder Matthias stellte sich nun an die Spitze des Zuges und stimmte mit lauter Stimme ein heiliges Lied an; hinter ihm gingen Orm und Toke und dann, angetrieben von den übrigen Männern, kamen die Sklaven mit der Glocke.
Innerhalb des Pfahlwerkes lagen viele Häuser, und alle gehörten zum Haushalt des Königs. Denn König Harald lebte in großem Reichtum und hatte mehr Macht als seine Vorfahren. Er hatte zur großen Gastmahlhalle König Gorms einen Anbau machen und sie ausschmücken lassen, und für seine Leibwache und seine Dienstleute hatte er große Langhäuser gebaut. Das Küchenhaus und das Brauhaus waren, als ihr Bau fertiggestellt war, von Dichtern besungen worden, und Einsichtige hielten sie für größer als die des Königs von Uppsala. Bruder Matthias schlug den Weg nach dem Schlafhaus des Königs ein; dort, bei seinen Frauen und Schatztruhen, hielt er sich nun in seinen alten Tagen am meisten auf.
Es war ein hochgebautes und sehr geräumiges Holzhaus, aber es war nun nicht mehr so bevölkert wie ehedem. Denn seit Bischof Poppo dem König oft vorgehalten hatte, daß er sich Mühe geben müsse, ein christliches Leben zu führen, hatte er die meisten seiner Frauen fortgeschickt und nur einige der jüngsten behalten; und die älteren, die ihm Kinder geboren hatten, lebten nun in einem anderen Bau. Doch an diesem Morgen ging es rings um das Haus lebhaft zu, und viele Leute, sowohl Männer wie Frauen, liefen eilig und angstvoll umher. Einige blieben stehen, blickten nach den Ankommenden und fragten, was das wohl bedeuten mochte, aber Bruder Matthias brach seinen Gesang ab und lief an allen vorbei in die Kammer des Königs; und Orm und Toke folgten ihm dorthin nach.
»Bruder Willibald! Bruder Willibald!« rief er, »noch gibt es Balsam in Gilead! Herr König, sei fröhlich und preise Gott, denn deinetwegen ist ein Wunder geschehen, und deine Schmerzen werden bald vertrieben sein. Ich bin wie Saul, der Sohn des Kis, denn ich ging aus, um Blutegel zu suchen und fand einen heiligen Gegenstand.« Und während nun Orms Leute die Glocke unter großen Mühen in die Kammer schafften, machte sich Bruder Matthias ans Berichten, wie alles zugegangen war.
Orm und seine Leute begrüßten König Harald mit großer Ehrfurcht und blickten ihn mit Neugier an; denn so lange sie zurückdenken konnten, hatten sie von ihm erzählen gehört und nun schien es ihnen seltsam, daß sie ihn elend und von Schmerzen geplagt vor sich sahen.
Sein Bett stand an der Tür gegenüber der Kurzwand. Es war hoch, aus starkem Bauholz gezimmert und voll Federbetten und Fellen, und es war so geräumig, daß drei oder vier, ohne sich zu drängen, darin nebeneinander liegen konnten. König Harald saß auf dem Bettrand und hatte viele Federkissen um sich her; auf dem Kopf saß ihm eine gestrickte gelbe Wollmütze; er war in einen langen Fischotterpelz gehüllt. Ihm zu Füßen auf dem Fußboden hockten zwei junge Frauen und hatten eine Pfanne mit glühenden Kohlen zwischen sich; und jede von ihnen hielt einen Fuß des Königs auf dem Schoß und knetete den, um ihn warm zu halten.
Jeder, der König Harald so dasitzen sah, mußte sehen, daß er ein
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