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Die Abenteuer des Röde Orm

Die Abenteuer des Röde Orm

Titel: Die Abenteuer des Röde Orm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frans Bengtsson
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aus. Er war zur Brücke, an der Orms Schiff lag, herangekommen und sah nun die Glocke und die Männer um sie her. Erstaunt starrte er sie an und kam schnell näher.
    »Was ist denn das?« rief er. »Eine Glocke, eine heilige Glocke! Träume ich etwa? Ist es Satans Blendwerk oder eine wirkliche Glocke? Und wie ist sie hierhergekommen ins Land der Teufel und der Finsternis? Noch nie im Leben habe ich eine so große Glocke gesehen, nicht einmal in des Kaisers höchsteigener Kirche zu Worms.«
    »Sie heißt Jakob, nach einem Apostel«, sagte Orm, »und wir haben sie von der Kirche des Apostels in Asturien hierhergebracht. Wir hörten, daß König Harald Christ geworden sei und dachten, daß ein solches Geschenk ihn freuen werde.«
    »Ein Wunder, ein Wunder!« schrie der Priester und reckte die Arme gen Himmel. »Gottes Engel haben sich unser angenommen in der Not, nun, da die Egel krank geworden sind. Und dieses heilt besser als Egel. Aber eilt nun, eilt, eilt! Jede Verzögerung ist gefährlich, denn er hat starke Schmerzen.«
    Die Sklaven zogen nun die Glocke zum Königshof hinan, und der Priester ermahnte die Männer, sie mit aller Macht anzutreiben. Er schwatzte ohne Aufhören, als hätte er den Verstand verloren, und er trocknete sich die Augen und wandte das Gesicht gen Himmel und rief laut in der Sprache der Priester. Orm und die anderen begriffen so viel, daß der König Zahnschmerzen hatte, sie konnten aber nicht verstehen, wie die Glocke da von Nutzen sein konnte. Aber der Priester plapperte nur so dahin vor Glück und nannte sie Boten des Himmels. Nun, sagte er, würde alles gut gehen.
    »Viele Zähne hat er, Gott sei Lob und Dank, nicht mehr im Munde«, sagte er, »aber die er noch hat, machen uns ebensoviel Mühe wie alles andere Teufelswerk in diesem Lande. Denn trotz seinem Alter tun sie ihm noch oft weh, ausgenommen die beiden blauen; und wenn der Schmerz einsetzt, ist es gefährlich, ihm nahe zu kommen, und er lästert ohne Maßen. Einmal im letzten Sommer, als ein Schneidezahn ihm wehtat, hat er Bruder Willibald beinahe zum Märtyrer gemacht, denn er schlug ihm mit unserem großen Kruzifix, das ihm den Schmerz hatte lindern sollen, über den Kopf. Zum Glück ist Bruder Willibald ein flinker Bursche, aber er mußte sich doch vor Schmerz und starkem Schwindel niederlegen. Gewiß haben wir, Bruder Willibald und ich, als wir mit dem Evangelium und mit unserer Arzneikunde dem Bischof Poppo hierher in das Land der Finsternis folgten, unser Leben Gott geweiht; aber gleichwohl ist es empörend, einiger alter Zähne wegen vom Märtyrertod bedroht zu werden. Und ausziehen dürfen wir ihm keinen einzigen alten Zahn, das hat er uns bei Verlust des Lebens verboten; denn er sagt, er wolle nicht werden wie jener schwedische König, der in seinem Alter aus einem Horn Milch sog. So groß ist die Bedrängnis und Mühsal, in der wir, um Gottes Reich zu fördern, bei diesem König leben, sowohl Bruder Willibald, der der beste Arzt im ganzen Stift Bremen ist, wie ich, der ich Bruder Matthias heiße und zugleich Kantor und Arzt bin.«
    Er holte tief Atem, wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und schrie den Sklaven zu, sich zu beeilen. Dann fuhr er fort: »Das Schlimmste für uns Ärzte ist hier, daß wir keine Reliquien haben, die unsere Arbeit unterstützen; ja nicht einmal einen einzigen Zahn des heiligen Lazarus gibt es hier; die sind bei Zahnschmerzen das Allerverläßlichste, und an vielen Orten der Christenheit sind sie vorhanden. Denn wir, die wir zu den Heiden hinausziehen, bekommen keine Reliquien mit, weil sie in die Hände der Ungläubigen fallen und besudelt werden könnten. Wir müssen uns ganz und gar auf unsere Gebete und auf das Kreuz und auf weltliche Heilmittel verlassen, und mitunter will das nicht ausreichen. Daher kann hier bei den Dänen niemand mit Wundermitteln geheilt werden, bevor es nicht Reliquien gibt, an die man sich halten kann, und bis dahin dauert es noch eine Weile. Allerdings sind drei Bischöfe und viele gewöhnliche Priester hier totgeschlagen worden, und einige Leichname dieser Märtyrer hat man gerettet und ihnen ein christliches Begräbnis gegeben, so daß wir wissen, wo sie zu finden sind; aber die heilige Kirche hat vorgeschrieben, daß keine Knochen von Bischöfen oder Märtyrern ausgegraben werden dürfen, bevor nicht sechsunddreißig Jahre seit ihrem Tode vergangen sind. Und bis dahin ist es für uns Ärzte schlecht bestellt.«
    Er schüttelte den Kopf und murmelte traurig vor

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