Die Abenteuer des Röde Orm
allerwenigsten sieht man solche, die ohne langes Grübeln Verse machen können. Viele sind mit Liedern über gefallene Helden und mit anderem zu mir gekommen, und es ist ärgerlich, ansehen zu müssen, wie sie, wenn sie einmal die Gedichte, die sie mitgebracht, hergesagt haben, den ganzen Winter lang, ohne zu irgend etwas nütze zu sein, mit der Nase über dem Bier dasitzen. Ich mag am meisten Dichter, denen Verse leicht gelingen, so daß sie in der Halle täglich zum Vergnügen gereichen, und es mag sein, daß du, Toke von Lister, behender bist als alle, die seit Einar Skälglam und Vigfus Glumsson meine Gäste waren. Ihr beide sollt nun über das Julfest bei mir bleiben und mit euch eure Mannen; und ihr werdet vom besten Bier bekommen, denn euer Geschenk ist das wohl wert.«
Als er das gesagt hatte, gähnte König Harald mächtig, denn er war müde nach der schweren Nacht. Er wickelte sich in den Pelz und rückte höher auf das Bett hinauf, und mit den beiden jungen Frauen neben sich legte er sich zur Ruhe. Die Felle wurden über sie gebreitet, und Bruder Willibald und Bruder Matthias machten über dem Könige das Zeichen des Kreuzes und murmelten ein Gebet. Nun gingen alle aus der Kammer, und der Stallmeister des Königs stellte sich mit dem Schwert in der Hand mitten auf den Hofplatz und rief dreimal mit lauter Stimme: »Der König der Dänen schläft«, damit die Ruhe des Königs durch keinen Lärm gestört werde.
Wie bei König Harald Blauzahn Jul getrunken wurde
Von überallher kamen angesehene Männer nach Jellinge, um bei König Harald Jul zu feiern, und es wurde eng in den Schlafstuben und an den Tischen. Orm jedoch und seine Mannen klagten nicht über das Gedränge, denn sie fanden nun guten Absatz für ihre Sklaven und konnten sie alle, noch vor den Festtagen verkaufen. Als Orm die Kaufsumme verteilt hatte, kamen seine Leute sich reich vor und waren wohl zufrieden; und nun sehnten sie sich danach, heimzukehren nach Lister und das Gewonnene dort vorzuzeigen und auch zu erfahren, ob Berse mit seinen beiden Schiffen überhaupt je nach Hause gekommen oder ob außer ihnen nun niemand mehr übrig war von allen, die einst mit Krok die Fahrt ins Weite unternommen hatten. Über die Festtage wollten sie jedoch gern in Jellinge bleiben; denn es war eine große Ehre und erhöhte das Ansehen, wenn man Jul getrunken hatte beim König der Dänen.
Der vornehmste der Gäste war König Haralds Sohn, König Sven Zweibart, der mit großer Gefolgschaft von Hedeby herbeigekommen war. Wie alle Kinder König Haralds war er Sohn einer Beischläferin, und das Einvernehmen zwischen ihm und seinem Vater war nicht das beste, so daß beide froh waren, wenn sie einander nicht zu sehen brauchten. Aber zum Julfest pflegte König Sven stets nach Jellinge zu kommen, und alle wußten, warum er kam. Denn während des Julfestes, wenn Essen und Trinken am reichlichsten und kräftigsten war, geschah es nicht selten, daß alte Männer ganz plötzlich starben, sei es im Bett oder an den Trinktischen. So war es dem alten König Gorm ergangen, der nach reichlich genossenem Julschinken zwei Tage lang ohne Sprache dagelegen und dann gestorben war; und König Sven wollte, wenn sein Vater dahinging, dort sein, wo die Truhen mit den Schätzen waren. Zu vielen Julfeiern war er nun schon vergebens gekommen, und von Jahr zu Jahr wurde seine Ungeduld größer. Seine Gefolgschaft bestand aus gewaltigen Heermännern; sie waren hochfahrend und streitsüchtig, und es fiel ihnen schwer, sich mit König Haralds Hausleuten zu vertragen; und nun, seit König Harald und mit ihm viele seiner Mannen zum Christentum übergetreten waren, stand es damit noch schlimmer als zuvor. Denn König Sven hielt zur alten Lehre und lachte boshaft über die Bekehrung seines Vaters. Er sagte, die Dänen wären von diesem Gaukelspiel verschont geblieben, wenn der Alte Witz genug gehabt hätte, beizeiten zu sterben.
Aber solange er in Jellinge war, sagte er das nicht laut, denn König Harald geriet leicht in Raserei, und dann war er gefährlich für alle. Nach der ersten Begrüßung hatten die beiden einander nichts mehr zu sagen, und von ihren Hochsitzen in der Festhalle tranken sie einander nicht öfter zu als nötig war.
Am Tage vor dem Julfest war Schneesturm, aber dann ließ der Wind nach, und es wurde kalt; und am Julmorgen, als die Priester die Weihnachtsmesse sangen und den Königshof ein guter Dampf umhüllte, der von den Vorbereitungen im Küchenhause herkam, da sah man
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