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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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eingegraben, und das ist alles, was wir je über das Schicksal der
Lone Star
erfahren werden.

Der Mann mit der entstellten Lippe
    Isa Whitney, Bruder des verstorbenen Elias Whitney, D.D. 25 , Prinzipal des Theologischen College von St. George’s, war dem Opium sehr ergeben. Soviel ich weiß, war ihm diese Gepflogenheit aus einer närrischen Laune heraus erwachsen, als er nämlich in seiner Collegezeit nach der Lektüre von De Quinceys 26 Beschreibungen seiner Träume und Erfahrungen seinen Tabak mit Laudanum tränkte, in einem Versuch, die gleichen Wirkungen zu erzielen. Wie so viele andere stellte auch er fest, daß es leichter ist, diese Gewohnheit anzunehmen als sich von ihr loszusagen, und viele Jahre blieb er Sklave der Droge; seinen Freunden und Verwandten war er Objekt einer Mischung aus Entsetzen und Mitleid. Ich sehe ihn noch vor mir, mit gelbem teigigem Gesicht, hängenden Lidern und Pupillen wie Nadelspitzen, in einem Sessel zusammengesunken, Wrack und Ruine eines vornehmen Mannes.
    Eines Abends – es war im Juni ‘89 – wurde meine Glocke geläutet, etwa zu der Stunde, da einem Manne das erste Gähnen entfleucht, wenn er die Uhr betrachtet. Ich setzte mich in meinem Sessel aufrecht hin, und meine Frau legte ihre Näharbeit in den Schoß und verzog ein wenig enttäuscht das Gesicht.
    »Ein Patient!« sagte sie. »Du wirst ausgehen müssen.«
    Ich ächzte, denn ich war soeben erst von einem erschöpfenden Tag heimgekehrt.
    Wir hörten das Öffnen der Tür, einige eilige Worte und dann schnelle Schritte auf dem Linoleum. Die Tür zu unserem Raum flog auf, und eine Dame trat ein, die in dunklen Stoff gekleidet war und einen schwarzen Schleier trug.
    »Ihr entschuldigt hoffentlich, daß ich so spät bei euch eindringe«, begann sie, doch verlor sie dann jählings ihre Selbstbeherrschung, stürzte vor, warf ihre Arme um den Hals meiner Frau und schluchzte an ihrer Schulter. »Oh! Ich habe solchen Kummer!« rief sie; »ich brauche so sehr ein wenig Hilfe!«
    »Ei«, sagte meine Frau; sie lüftete den Schleier der anderen; »das ist ja Kate Whitney. Wie kannst du mich so erschrecken, Kate! Ich hatte ja keine Ahnung, wer du warst, als du hereingekommen bist.«
    »Ich wußte nicht, was ich tun sollte, deshalb bin ich geradewegs zu euch gekommen.« So war es immer. Menschen mit großem Kummer kamen zu meiner Frau wie Vögel zu einem Leuchtturm.
    »Es ist ganz reizend, daß du gekommen bist. Du mußt jetzt unbedingt ein wenig Wein und Wasser trinken, und dann setz dich gemütlich hin und erzähl uns alles. Oder wäre es dir lieber, wenn ich James ins Bett schickte?«
    »Oh, nein, nein. Ich brauche auch den Rat und die Hilfe des Doktors. Es geht um Isa. Er ist seit zwei Tagen nicht mehr zu Hause gewesen. Ich habe solche Angst um ihn!«
    Es war nicht das erste Mal, das sie mit uns über die Schwierigkeiten ihres Gatten sprach – mit mir als einem Arzt, mit meiner Frau als einer alten Freundin und Schulkameradin. Wir besänftigten und trösteten sie mit Worten, so gut es ging. Ob sie wußte, wo ihr Mann war? Ob wir ihn möglicherweise zu ihr zurückbringen könnten?
    Dies schien der Fall zu sein. Sie wußte ganz sicher, daß er sich in letzter Zeit, wenn es ihn packte, einer Opiumhöhle im äußersten Osten der City bediente. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich seine Orgien immer auf einen Tag beschränkt, und zuckend und zerrüttet war er abends heimgekehrt. Nun jedoch befand er sich seit achtundvierzig Stunden in diesem Bann, und zweifellos lag er jetzt dort unter dem Abschaum der Docks und atmete das Gift ein oder schlief die Wirkung aus. Dort könnte man ihn finden, dessen war sie gewiß, und zwar in der
Bar of Gold,
in der Upper Swandam Lane. Aber was sollte sie nur tun? Wie könnte sie, eine junge, scheue Frau, in einen solchen Ort eindringen und ihren Gatten zwischen den Wüstlingen, die ihn umgaben, herausholen?
    So lag der Fall, und natürlich gab es nur einen einzigen Ausweg. Ob ich sie nicht zu diesem Ort eskortieren könne? Und dann, nach weiterer Überlegung: Wozu sollte sie überhaupt mitkommen? Ich sei doch Isa Whitneys medizinischer Berater und habe als solcher Einfluß auf ihn. Ich könne die Sache viel besser in die Hand, nehmen, wenn ich allein sei. Also gab ich ihr mein Wort, daß ich ihn binnen zweier Stunden in einem Wagen heimschicken würde, falls ich ihn tatsächlich an der mir von ihr genannten Adresse fände. Und so hatte ich innerhalb von zehn Minuten meinen Lehnsessel und mein

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