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Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Die Abenteuer des Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer des Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Conan Doyle
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fröhliches Wohnzimmer zurückgelassen und raste in einer Droschke gen Osten, in einer seltsamen Mission, wie es mir zu dieser Zeit schien, wenngleich nur die Zukunft würde erweisen können, wie seltsam die Angelegenheit tatsächlich war.
    Bei den ersten Etappen meines Abenteuers gab es jedoch keinerlei Schwierigkeiten. Upper Swandam Lane ist eine greuliche Gasse, die hinter den ragenden Werften, die das nördliche Flußufer östlich der London Bridge säumen, gleichsam lauert. Zwischen einer schäbigen Kleiderbude und einem Schnapsladen führen steile Stufen hinab zu einem Schlund, schwarz wie die Öffnung einer Höhle, und dort fand ich das Opiumloch, das ich gesucht hatte. Ich bat den Kutscher, zu warten und eilte die Stufen hinab, die in der Mitte vom unaufhörlichen Trampeln trunkener Füße ausgehöhlt waren, und im Schein eines flackernden Öllichts über der Tür fand ich die Klinke und trat in einen langgestreckten, niedrigen Raum; dick und schwer hing der braune Opiumrauch in der Luft, und hölzerne Kojen bildeten Terrassen im Raum, wie im Vorderdeck eines Auswandererschiffs.
    Verschwommen in der Düsternis waren flüchtig Körper zu sehen, die in seltsamen und phantastischen Posen dort lagen, hängende Schultern, gekrümmte Knie, zurückgeworfene Köpfe und emporgereckte Kinnspitzen, und hie und da wandte sich ein dunkles, stumpfes Auge dem Neuankömmling zu. Aus den schwarzen Schatten glommen kleine rote Lichtkreise hervor, heller oder matter, wie das brennende Gift in den Köpfen der Metallpfeifen aufleuchtete und verlosch. Die meisten lagen stumm, aber einige murmelten vor sich hin und andere sprachen miteinander mit seltsamen, leisen, monotonen Stimmen; die Reden kamen wie in einem Schwall und rieselten plötzlich in Schweigen aus; jeder murmelte seine eigenen Gedanken hervor und gab kaum acht auf die Worte des Nachbarn. Am anderen Ende des Raums stand ein kleines Becken mit glühender Holzkohle, daneben saß auf einem dreibeinigen Holzschemel ein großer, dünner Greis; er hatte den Kiefer auf seine beiden Fäuste gestützt, die Ellenbogen auf die Knie und starrte ins Feuer.
    Bei meinem Eintritt hatte sich mir ein blaßgelber Malaie eilends genähert, der mir eine Pfeife und einen Drogenvorrat reichte und mich zu einer leeren Koje winkte.
    »Danke, aber ich wollte nicht bleiben«, sagte ich. »Hier ist irgendwo ein Freund von mir, Mr. Isa Whitney; mit ihm möchte ich sprechen.«
    Eine Bewegung und ein Ausruf erfolgten zu meiner Rechten, und als ich durch die Düsternis spähte, sah ich Whitney, der mich fahl, verfallen und verwahrlost anstarrte.
    »Mein Gott! Das ist ja Watson«, sagte er. Er war in einem erbärmlichen Zustand; all seine Nerven zuckten in Reaktion auf die Droge. »Sagen Sie, Watson, wieviel Uhr ist es?«
    »Fast elf.«
    »An welchem Tag?«
    »Freitag, der 19. Juni.«
    »Lieber Himmel! Ich dachte, es ist Mittwoch. Es muß Mittwoch sein. Wie kann man einen Menschen nur so erschrecken!«
    Er ließ das Gesicht auf die Arme sinken und begann laut und schrill zu schluchzen.
    »Ich sage Ihnen doch, es ist Freitag, Mann. Ihre Frau wartet seit zwei Tagen auf Sie. Sie sollten sich schämen!«
    »Ich schäme mich ja. Aber Sie sind durcheinander, Watson, ich bin nämlich erst seit ein paar Stunden hier, drei Pfeifen, vier Pfeifen – ich weiß nicht wie viele. Aber ich komme mit Ihnen nach Hause. Ich will auf keinen Fall Kate erschrecken – arme kleine Kate. Geben Sie mir die Hand! Haben Sie einen Wagen?«
    »Ja, draußen wartet einer.«
    »Dann werde ich damit fahren. Aber ich habe bestimmt Schulden. Stellen Sie fest, was ich hier schulde, Watson. Ich bin ganz daneben. Ich kann nichts selbst tun.«
    Ich ging den engen Gang zwischen der Doppelreihe von Schläfern entlang und hielt dabei den Atem an, um nicht die üblen, betäubenden Dämpfe der Droge aufzunehmen; dabei suchte ich nach dem Geschäftsführer. Als ich an dem großen Greis vorbeikam, der neben dem Kohlenbecken saß, verspürte ich plötzlich ein Zupfen an meinem Rock, und eine leise Stimme flüsterte: »Gehen Sie weiter und schauen Sie dann zu mir zurück.« Ich vernahm die Wörter sehr deutlich. Ich sah hinunter. Sie konnten nur von dem alten Mann neben mir gekommen sein, und doch saß er da so versunken wir zuvor, sehr dünn, sehr runzlig, vom Alter gebeugt; eine Opiumpfeife hing zwischen seinen Knien hinab, als sei sie ihm durch schiere Schlaffheit aus den Fingern geglitten. Ich tat zwei Schritte vorwärts und blickte zurück.

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