Die Abenteuer des starken Wanja
!«
Beim
letzten Ton der Garmoschka war Frau Matrjonna wieder zum Leben erwacht.
Entgeistert machte sie kehrt, schlug die Hände über dem Kopf zusammen und
rannte laut kreischend zur Tür hinaus. »Heilige Muttergottes !« schrie sie. »Der Kerl kann zaubern! Der Kerl kann zaubern !«
Wanja
und Mischa lachten, daß ihnen die Tränen über die Backen liefen.
»Kannst
du noch mehr solcher Kunststücke ?« wollte der starke
Wanja wissen.
»Vielleicht
ja, vielleicht nein.«
Mit
einemmal wurde Mischa ernst.
»Ich
muß dich was fragen, Wanja! Die Rüstung da, deine Rüstung... Ist es — die
Rüstung des Zaren Iwan Wassiljewitsch ?«
Wanja
nickte. »Du bist schon der zweite an diesem Abend, der danach fragt .«
»Ich
hab’ mir’s gedacht«, sagte Mischa Holzbein. — »Weißt du auch, Bruder, daß du in
großer Gefahr bist ?«
»Ich ?« fragte Wanja. »Wieso?«
Mischa
hielt Umschau nach allen Seiten, dann rückte er dicht an Wanja heran und
flüsterte: »Vorhin bin ich dem Wirt begegnet, er ist wie der Teufel an mir
vorbeigeritten — ich wette: zum Großfürsten .«
»Und ?« fragte Wanja. »Was hat das mit mir zu tun ?«
»Wie
ich den Großfürsten kenne, wird er versuchen, dich aus dem Weg zu räumen. In
solchen Dingen ist er nicht zimperlich .«
»Das
versteh’ ich nicht«, sagte Wanja.
Mischa
schenkte sich einen Becher Kwaß ein und meinte:
»Du
wirst es verstehen, Bruder, sobald ich dir alles erzählt habe .«
E s war eine schwarze und
stürmische Nacht ohne Mond und Sterne. Die Stadt und das Zarenschloß lagen in
tiefem Schlaf. Nur die Wachtposten auf den Türmen schliefen nicht. Von
Viertelstunde zu Viertelstunde erscholl der Postenruf:
»Gott
ist Gott !«
»Und
der Zar ist der Zar !«
»Und
die Wache des Zaren wacht !«
Eine
Stunde nach Mitternacht kam der Wirt vor dem Schloßtor an. Er hatte sein Pferd
zuschanden geritten, es dampfte und keuchte und hatte blutigen Schaum vor dem
Maul. Anissim wälzte sich aus dem Sattel und hämmerte mit den Fäusten ans Tor.
»Aufmachen !« rief er. »Hört ihr nicht, in Dreiteufelsnamen — aufmachen !«
Im
linken Torflügel wurde von innen ein kleines Fenster geöffnet. Das Licht einer
Fackel flackerte auf, in der Fensteröffnung erschien ein behelmter Kopf.
Was
los sei, fragte der Torwächter.
»Aufmachen
sollst du! Ich muß auf der Stelle zum Großfürsten !«
»Das
kann jeder sagen. Erzähl das mal unserem Hauptmann .«
Das
Fensterchen wurde zugeklappt, der Wirt stampfte mit dem Fuß auf. Schimpfend lief
er ein paarmal auf und ab. Dann hörte er Schlüssel rasseln, ein Riegel wurde
zurückgeschoben, kreischend öffnete sich ein schmaler Durchlaß im Tor.
In
der Pforte stand, rot beleuchtet vom Fackelschein, ein hagerer, ganz in Leder
gekleideter Mann mit schweren Silberspangen um Hals und Brust. Hauptmann Kujuk
war es, der Befehlshaber der tatarischen Bogenschützen. Er trat aus dem Tor und
leuchtete dem Wirt mit der Fackel ins Gesicht.
»Ah,
du bist es !« sagte er. »Schlechte Nachrichten?«
»Nehmt
mir das Pferd ab !« verlangte Anissim. »Ich muß auf der
Stelle zum Großfürsten, es ist wichtig .«
Der
Hauptmann winkte dem Torwächter. »Übernimm den Gaul !« Dann ergriff er den Wirt am Handgelenk. »Vorwärts, ich bring’ dich zu ihm
hinauf !«
Sie
eilten durch finstere Höfe und schmale Durchgänge. Dem Wirt fiel es schwer, mit
dem Hauptmann Schritt zu halten. Keuchend stolperte er ihm nach.
Im
innersten Schloßhof kamen sie nahe an einem niedrigen, in die Mauer
eingelassenen Tor vorbei, einem Gittertor. Als sie daran vorübereilten, ertönte
ein dumpfes, gefährliches Knurren dahinter.
»Was
ist das ?« fragte der Wirt erschrocken.
»Unsere
drei sibirischen Bären«, sagte der Hauptmann. »Der Großfürst hält sie im
Zwinger dort, hinter dem Gittertor. Prächtige Burschen, die drei — aber wild
und reißend: Wer es mit denen zu tun kriegt, spart sich den Sarg .«
D ie Tür zum Gemach des
Großfürsten war von innen abgeschlossen. Der Hauptmann pochte mit dem
Schwertknauf dagegen, acht Schläge in einer bestimmten Reihenfolge, mit kurzen
und längeren Pausen dazwischen. Es war ein geheimes Klopfzeichen, das der
Großfürst mit ihm vereinbart hatte.
»Ich
fürchte, er hört uns nicht«, sagte Anissim.
Kujuk
hieß ihn schweigen. Er klopfte ein zweites, ein drittes Mal. Dann vernahmen sie
die verschlafene Stimme des Großfürsten:
»Was,
zum Satan, ist los da draußen? Bist du es, Kujuk ?«
»Mit
wichtiger
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