Die Abenteuer des starken Wanja
herein.
Im
Schloß selbst herrschte tiefe Stille. Blumen und Kränze auch hier, rote Tücher
mit breitem Goldsaum von allen Fenstern herab, und Fahnen den Weg entlang,
weiße und gelbe und purpurfarbene Fahnen, mit Adlern und Kronen bestickt. Doch
nirgends ein Mensch zu erspähen: kein Diener und kein Soldat, keine Magd und
kein Pferdejunge.
Nur
eine Katze huschte an ihnen vorüber. Sie strich um die nächste Ecke — und weg
war sie.
Mischa
bekreuzigte sich.
»Mir
scheint, hier ist alles tot .«
Er
konnte nicht wissen, daß Großfürst Dimitrij es den Bewohnern des Schlosses
verboten hatte, sich an den Fenstern oder in einem der Höfe zu zeigen.
Der
Großfürst selbst hatte alles, was vor den Toren des Zarenschlosses geschehen
war, von seinem Gemach aus beobachtet. Zorn erfüllte ihn. Schändlich, wie diese
Tatarenbrut ihn verraten hatte! Und doch gab er seine Sache noch nicht
verloren, noch hatte er einen Trumpf in der Hand — den letzten und besten.
Er
eilte die Wendeltreppe hinab zum Bärenzwinger und öffnete eigenhändig das Gittertor.
Dann trat er in eine mit Eisenstäben gesicherte Nische zurück und wartete.
Wanja
und Mischa Holzbein hatten den innersten Schloßhof erreicht. Nun stieg Wanja
vom Pferd und gab Mischa die Zügel.
»Warte
hier — ich will sehen, wo ich den Zaren und seine Tochter finde !«
Da
kreischte das Gittertor in der Mauer. Knurrend und zähnefletschend brachen die
Bären hervor.
»Nimm
dich in acht, Bruder !«
Wanja
stellte sich schützend vor Mischa und den Rappen. Er fällte die Lanze, um mit
den Bären zu kämpfen. Mischa hingegen fand, das sei unnötig,
»Laß
mich das erledigen !« rief er und zog die Garmoschka
aus der Rocktasche.
Die
Bestien hatten sich aufgerichtet. Brüllend fielen sie Wanja an, alle drei
zugleich. Ein furchtbarer Prankenhieb traf die Lanze von Eisenholz — aber es
war der erste und letzte in diesem Kampf, dafür sorgte Mischa Holzbein:
Dodeldadeldüh! und die Bären erstarrten beim Klang der Garmoschka, als wären
sie ausgestopft. Wie Tanzbären standen sie auf den Hinterpfoten — nur daß der
Ring durch die Nase fehlte und daß sie sich nicht bewegten.
»Gut
gemacht, Bruder !«
Während
Wanja davoneilte, führte Mischa in aller Ruhe den Rappen
Waron
in den Schatten und band ihn an einem Ring in der Mauer fest. Dann kehrte er zu
den angefrorenen Bären zurück und besah sie sich aus der Nähe.
»Nun,
meine Herren Bären, wie fühlt ihr euch ?« Höflich zog
er den Hut vor ihnen. »Nehmt mir’s nicht übel — es wird nicht mehr lange
dauern, hoffe ich .«
Er
ging zu Waron hinüber und setzte sich neben ihm in den Schatten, die Mundharmonika
griffbereit.
Kurze
Zeit später betrat der Großfürst Dimitrij den Hof, um Nachschau zu halten. Als
er die Bären erblickte, traute er seinen Augen nicht.
»Was
ist los mit euch ?« schrie er.
Blinde
Wut übermannte ihn. Die Fäuste geballt, lief er auf die reglosen Tiere zu und
beschimpfte sie.
»Warum
rührt ihr euch nicht von der Stelle? Seid ihr zu Stein geworden, elende
Kreaturen? Der Teufel hole euch alle drei !«
Eine
Weile ließ Mischa Holzbein den Großfürsten toben, dann setzte er die Garmoschka
an. Düdeldadeldoh! — und die Bären erwachten aus ihrer Starre.
Brüllend
fielen sie über den Großfürsten her. Er wollte sich mit dem Schwert zur Wehr
setzen, aber zu spät! Der Schreck lähmte ihm die Hand, er vermochte die Waffe
nicht aus der Scheide zu ziehen.
Da
fiel er zu Boden und winselte wie ein Hund.
Aber
die Bären brachten ihn rasch zum Schweigen.
Später
trollten sie sich zurück in den Bärenzwinger, und Mischa schlug hinter ihnen
das Gitter zu.
W anja eilte von Treppe zu
Treppe, von Gang zu Gang: alle Türen verschlossen, und nirgends ein Mensch, den
er fragen konnte, wo das Gemach des Zaren lag.
»Ob
ich den Silberdreier befrage ?«
An
der Schnur, die er um den Hals trug, zog Wanja das
Lederbeutelchen unter der Rüstung hervor und entnahm ihm die Münze.
»Zahl links — Adler rechts!« Auch diesmal ließ ihn das silberne
Dreikopekenstück nicht im Stich: Es führte ihn auf dem kürzesten Weg zu der
Tür, die er suchte.
Einen
Augenblick zögerte Wanja. Dann faßte er sich ein Herz, nahm den Helm ab und
klopfte an.
Der
alte Zar war in einen Mantel von rotem Brokat gehüllt. Er saß aufrecht im
Lehnstuhl, den goldenen Herrscherstab in der linken Hand, auf dem Haupt die
Krone. Neben ihm stand die schöne Wassilissa, festlich gekleidet auch sie,
einen Goldreif im
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