Die Abenteuer des starken Wanja
und
glaubte nicht recht zu hören.
»Das
Haus wollt ihr anzünden, meine Söhne? Das kann euer Ernst nicht sein !«
»Doch«,
sagte Sascha. »Wenn Wanja nicht zur Vernunft kommt, müssen wir’s tun .«
»Du
kannst ihm ja ins Gewissen reden, Vater«, schlug Grischa vor. »Vielleicht hört
er auf dich .«
Die
Brüder verließen die Stube. Wassili Grigorewitsch blieb bei Wanja zurück. Er zweifelte
nicht daran, daß es Grischa und Sascha mit ihrer Drohung ernst war; das hatte
er ihnen angemerkt, ihren Gesichtern mehr noch als ihren Worten. Darum war er
in großer Sorge. Um Wanja und um das Haus.
»Wanja,
mein Sohn !« bat er. »Nimm Vernunft an und komm
herunter! Was soll aus uns allen werden, wenn Grischa und Sascha Feuer an
dieses Haus legen? Du mußt nachgeben und heruntersteigen. Bei Gott und den
lieben Heiligen — höre auf deinen alten Vater und tu, was sie von dir wollen !«
Wie
gern hätte Wanja dem Vater alles erklärt — wenn es ihm nur erlaubt gewesen wäre
zu reden! Sechs Jahre lang hatte er nun hier oben gelegen und Kraft gesammelt.
Er durfte nicht aufgeben, durfte sein Schweigen nicht brechen — jetzt, wo es
sein konnte, daß er kurz vor dem Ziel stand. So blieb ihm nichts anderes übrig,
als stumm den Kopf zu schütteln.
»Nun
gut«, sprach Wassili Grigorewitsch. »Du bist alt genug, um zu wissen, was auf
dem Spiel steht. Grischa und Sascha werden nicht mit sich handeln lassen.
Morgen abend um diese Zeit, wenn das Haus brennt, wirst du das tun müssen, was
du besser schon jetzt getan hättest: nachgeben und vom Ofen heruntersteigen —
es sei denn, du willst dich aus lauter Starrsinn lebendigen Leibes verbrennen
lassen, und da sei Gott vor !«
I n
dieser Nacht fand Wassili Grigorewitsch lange Zeit keinen Schlaf. Immerzu
quälte ihn der Gedanke, was morgen geschehen sollte. »O Gott, was für Söhne !« dachte er. »Was für Söhne! Der eine so starrköpfig wie
die anderen! Warum müssen sie mir dies antun auf meine alten Tage ?«
Auch
Wanja konnte nicht schlafen. Er wälzte sich auf dem Backofen hin und her, hatte
Angst vor dem nächsten Abend, vor Grischa und Sascha. Sie würden nicht lange
fackeln morgen, das wußte er. Das Haus würde brennen — und er würde in den
Flammen umkommen, wenn nicht zuvor ein Wunder geschah: das Wunder, auf das er
im Stillen hoffte.
»Der
sechste Sack Sonnenblumenkerne ist leer bis auf eine Handvoll«, dachte er.
»Möglich, daß mir die Dachprobe diesmal glückt. Dann ist alles in Ordnung. Ich
werde hinuntersteigen und Grischa und Sascha die ganze Geschichte erzählen. Ich
werde sie und Wassili Grigorewitsch um Verzeihung bitten und meines Weges
ziehen: hinaus in die weite Welt, wie der Blinde gesagt hat...«
Wanja
kratzte die restlichen Sonnenblumenkerne zusammen und knackte sie. Als er den
letzten verzehrt hatte, schlug es vom Kirchlein des Dorfes Mitternacht. Das
sechste Jahr auf dem Backofen war zu Ende.
»Diesmal
muß es gelingen !«
Der
faule Wanja schälte sich aus den Pelzen und wälzte sich auf den Rücken. Er
holte tief Atem und schloß die Augen. Dann stemmte er beide Handflächen gegen
die Balkendecke und streckte die Arme durch — langsam, ganz langsam — mit aller
Kraft, die er aufbringen konnte.
Er
keuchte und ächzte; er spürte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg; er biß sich die
Lippen wund.
In
der Decke begann es zu knistern, zu knirschen, zu knacken. Ein Ruck noch, ein
letzter Ruck...
»Jetzt !« dachte Wanja. »Jetzt!«
Es
gelang ihm, das Dach auf der einen Seite des Hauses so weit emporzustemmen, daß
über der Mauer ein schmaler Ritz entstand, ungefähr einen halben Finger breit.
Aber
nur einen kurzen Augenblick dauerte das. Dann knickten Wanja die Arme weg, und
das Dach klappte wieder herunter. Schwer atmend griff Wanja sich an die Brust.
Er riß sich das Hemd vom Leib. Die Schafspelze unter ihm waren naß von Schweiß.
Arme und Schultern schmerzten ihn unerträglich. Am schlimmsten war der Gedanke,
daß er es nicht geschafft hatte.
Diesmal
freilich hatte nicht viel gefehlt. Übers Jahr, daran gab es keinen Zweifel,
würde er Kraft genug haben, um die Dachprobe zu bestehen. Mit Leichtigkeit!
Doch
was nützte ihm dies? Er mußte an morgen abend denken, an Grischa und Sascha.
»Ich
will nicht, daß sie das Haus anzünden! Ich will nicht verbrennen !« dachte er.
Ob
es nicht doch am klügsten war, wenn er aufgab und ihnen ihren Willen tat?
Da
hörte er plötzlich ein wohlbekanntes Geräusch vor dem Haus. Draußen kam
Weitere Kostenlose Bücher