Die Abenteuer des starken Wanja
sollen!«
In
diesem Augenblick ging die Sonne auf. Groß und golden tauchte
sie
hinter den Bienenkörben empor; und kaum daß sie mit ihren Strahlen die oberste
Spitze des Wanderstabes berührt hatte, da entsprossen ihm Knospen und Zweige,
und jeder Zweig brachte zarte Blätter hervor, die leuchteten frisch und grün in
den Morgen.
Dies
alles begab sich lautlos und rasch. Es dauerte alles in allem nicht länger, als
man für zwei Vaterunser braucht.
Grischa
und Sascha trauten ihren Augen nicht. Bestürzt und verwundert starrten sie zu
den Blättern hinauf. Schließlich erhob sich Grischa von seinem Strohsack, und
Sascha tat es ihm nach. Keiner von beiden brachte ein Wort heraus. Was hätten
sie wohl auch sagen sollen?
Anders
Wassili Grigorewitsch. Als er hinzukam und sah, was geschehen war, rief er:
»Ein
Wunder! Ein Wunder! Das Zeichen des blinden Mannes! Da habt ihr es, meine
Söhne, da habt ihr es !«
Grischa
und Sascha blickten verlegen auf ihre Füße. Stumm und betreten standen sie da,
bis Wassili Grigorewitsch fand, es sei lang genug geschwiegen.
»Nun ?« fragte er.
»Also
gut«, meinte Sascha mit einem Achselzucken. »Wir geben ihm ein Jahr zu .«
»Aber
von heut an«, versicherte Grischa, »schlage ich jeden Abend mein Beil in den
Pfosten am Hoftor: ein Tag — eine Kerbe...«
»Und
wenn das Jahr voll ist«, rief Sascha, »muß Wanja herunter vom Ofen, sonst
brennt das Haus !«
A n einem der nächsten Tage
mußten Grischa und Sascha Getreide zur Mühle fahren. Der Zufall wollte es, daß
sie dort mit Aljoscha Rotschopf zusammentrafen, der mit seinem Fuhrwerk in der
Reihe der wartenden Bauernwagen einen Platz weiter vorn stand. »Wie steht’s ?« rief er ihnen zu. »Was macht euer Bruder Wanja? Laßt uns
auf seinen gesunden Schlaf trinken !«
Er
zog eine Schnapsflasche unter dem Sitzbrett hervor, setzte sie an die Lippen
und tat einen kräftigen Schluck daraus.
Dann
stieg er vom Wagen und kam mit der Flasche zu Grischa und Sascha hinter. »Jetzt
ihr!«
Die
Brüder mochten so früh am Tag keinen Schnaps. Auch hatten sie wenig Lust, mit
Aljoscha zu reden, mit ihm schon gar nicht.
Aber
ein Tag auf der Mühle ist lang. Man steht in der Wagenschlange, Fuhrwerk an
Fuhrwerk, man wartet und langweilt sich. Dann und wann geht ein Ruck durch die
Reihe — »Hö, vorwärts !« Da setzt sich der Wagenzug in
Bewegung, bis es nach wenigen Schritten den nächsten Halt gibt. Das Warten
beginnt von neuem. Zuletzt ist man froh über jeden Zeitvertreib: Man redet
sogar mit Aljoscha.
Man
redet mit ihm übers Wetter, man schimpft auf den Müller, man spricht von den
Mädchen im Dorf. Und mit einemmal hat einen dieser Rotschopf dahin gebracht, wo
er einen von allem Anfang an haben wollte: Man spricht von Wanja.
»Hast
du vergessen, Sascha, was ich dir vor zwei Wochen gesagt habe? Was hält Grischa
davon? Warum unternehmt ihr nichts ?« Grischa und
Sascha sahen nicht ein, weshalb sie dem Rotschopf erzählen sollten, was sich
unlängst bei ihnen zu Hause ereignet hatte. Aber ein Tag auf der Mühle ist
lang, wie gesagt, und Aljoscha verstand sich darauf, ihnen die ganze Geschichte
Stück für Stück aus der Nase zu ziehen, ohne daß sie es richtig merkten.
»Euch
ist eben nicht zu helfen«, sagte er. »Ihr seid abergläubisch und dumm und habt
Angst vor Wanja. Was ihr ein Jahr nennt, hat soviel Monate wie der Igel
Stacheln, euch kenn’ ich doch !«
»Dann
kennst du uns schlecht«, meinte Grischa. »Wir wissen so gut wie du, wieviel
Tage ein Jahr hat. Und wir zählen sie sehr genau .«
T ante
Akulina staunte nicht schlecht, als sie von ihrer Nichte zurückkehrte und
erfuhr, was sich während ihrer Abwesenheit daheim auf Wassili Grigorewitschs
Hof ereignet hatte.
»Siehst
du, Schwager, da hast du es !« rief sie. »Hab’ ich euch
nicht schon immer gesagt, daß es mit unserem Wanja und seiner Faulheit etwas
Besonderes auf sich haben muß? Ihr habt es mir zwar nie glauben wollen, aber
nun wißt ihr es. Zar soll er werden, der gute Junge! Bei allen Heiligen, es ist
beinah zuviel für mich: Er soll Zar werden! — Und ihr beiden«, damit wandte sie
sich an Grischa und Sascha, »ihr wolltet tatsächlich Feuer an unser Haus legen?
Ach, ihr vermaledeiten Kerle , welcher Satan hat euch
das eingeblasen? Das Haus anzünden! Das eigene Vaterhaus! Hat man so etwas
schon gehört unter ehrlichen Christenmenschen? Euch sollte man tausend
Kochlöffel um die Ohren schlagen, bis nichts mehr davon übrig ist,
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