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Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Die Abenteuer von Aguila und Jaguar

Titel: Die Abenteuer von Aguila und Jaguar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hieß César Santos, kannte die Gegend von Kindesbeinen an und hatte gute Verbindungen zu den Indianern. Der Mann besaß eine etwas klapprige, aber noch flugtüchtige Propellermaschine, mit der sie bis ins Gebiet der Eingeborenen gelangen konnten.
    »In der Schule haben wir zum Thema Umweltschutz einmal eine Stunde den Amazonas durchgenommen«, erzählte Alex, dem schon die Augen zufielen.
    »Eine Schulstunde reicht, mehr brauchst du nicht zu wissen«, befand Kate. »Ich nehme an, du bist müde. Du kannst auf dem Sofa schlafen, und morgen in der Frühe beginnst du mit der Arbeit für mich.«
    »Was soll ich tun?«
    »Was ich von dir verlange. Zunächst verlange ich, dass du schläfst.«
    »Gute Nacht, Kate …«, murmelte Alex und rollte sich zwischen den Sofakissen zusammen.
    »Pah!«, blaffte seine Großmutter. Sie wartete, bis er eingeschlafen war, und hüllte ihn dann in warme Decken.

VIERTES KAPITEL
Eine Welt aus Wasser
    Kate und Alexander Cold überflogen in einer Linienmaschine den Norden Brasiliens. Seit Stunden erstreckte sich unter ihnen der Wald, so weit das Auge reichte ein sattes Grün, durch das sich die Flüsse wanden wie schillernde Schlangen. Der beeindruckendste hatte die Farbe von Milchkaffee.
    Der Amazonas ist der breiteste und wasserreichste Strom der Erde, er führt fünfmal soviel Wasser wie jeder andere Fluss. Einzig die Astronauten auf ihrer Reise zum Mond waren weit genug von diesem ausgedehnten Flusssystem entfernt, um es in seiner ganzen Größe zu sehen , las Alex in dem Reiseführer, den ihm seine Großmutter in Rio de Janeiro gekauft hatte. Dass dieses riesige Waldgebiet, das letzte Naturparadies des Planeten, durch die Habgier von Unternehmern und Abenteurern zerstört wurde, wie er es in der Schule gelernt hatte, wurde in dem Buch nicht erwähnt. Über eine neu gebaute Straße, die wie eine offene Wunde inmitten des Urwalds klaffte, konnten massenhaft Siedler in die Region vordringen und Holz und Erze in rauen Mengen daraus fortgeschafft werden.
    Kate hatte ihrem Enkel erklärt, sie würden in das Gebiet zwischen dem Río Negro und dem oberen Orinoko reisen, in einen fast unerforschten Winkel Amazoniens, in dem die meisten Indianerstämme zu Hause waren. Man nahm an, dass die Bestie ursprünglich von dort kam.
    »In dem Buch steht, dass diese Indianer wie in der Steinzeit leben. Sie haben noch nicht einmal das Rad erfunden«, bemerkte Alex.
    »Sie brauchen es nicht. In diesem Gelände ist es zu nichts nütze, sie müssen nichts Schweres transportieren und haben es nicht eilig, irgendwohin zu kommen«, brummte Kate, die es nicht leiden konnte, wenn man sie beim Schreiben störte. Ein Gutteil der Reise hatte sie damit verbracht, sich in einer winzigen, verschlungenen Handschrift, die aussah wie die Spuren von Fliegenfüßchen, in ihren Heften Notizen zu machen.
    »Sie kennen die Schrift nicht«, redete Alex weiter.
    »Bestimmt haben sie ein gutes Gedächtnis.«
    »Man findet keine Kunstwerke bei ihnen, sie bemalen sich bloß den Körper und schmücken sich mit Federn.«
    »Sie haben es nicht nötig, dass die Nachwelt an sie denkt oder sie sich von anderen abheben. Die meisten unserer so genannten ›Künstler‹ sollten sich ein Beispiel an ihnen nehmen«, erwiderte seine Großmutter.
    Sie waren unterwegs nach Manaus, der größten Stadt im Amazonasgebiet, die Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Blüte erlebt hatte, als mit dem Siegeszug des Automobils Kautschuk zu einem gefragten Rohstoff wurde.
    »Du wirst den geheimnisvollsten Urwald der Erde kennen lernen, Alexander. Dort gibt es Orte, an denen die Geister am helllichten Tag spuken«, erzählte Kate.
    »Klar, so wie dieser Urwald-Yeti, hinter dem wir her sind.« Alex grinste.
    »Sie nennen ihn die Bestie. Vielleicht gibt es nicht nur eine, sondern mehrere, eine ganze Familie oder einen Stamm von Bestien.«
    »Für dein Alter bist du ziemlich leichtgläubig, Kate.«
    »Mit den Jahren lernt man eine gewisse Demut, Alexander. Je älter ich werde, desto unwissender fühle ich mich. Nur die Jungen haben für alles eine Erklärung parat. In deinem Alter kann man getrost überheblich sein, weil es halb so wild ist, wenn man sich blamiert«, sagte seine Großmutter und wandte sich wieder ihren Notizen zu.
    ~
    Die Tropenhitze umfing sie wie ein heißes, nasses Handtuch, als sie in Manaus aus dem Flugzeug stiegen. Hier trafen sie auf die anderen Teilnehmer an der Expedition des International Geographic. Außer Kate Cold und ihrem Enkel

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