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Die Abenteuer von Sherlock Holmes

Die Abenteuer von Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer von Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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nahm er die alte versottete Tonpfeife vom Ständer, die für ihn so etwas wie ein Ratgeber war, und nachdem er sie angezündet hatte, lehnte er sich in den Sessel zurück; dicke blaue Wolken wirbelten auf, und in sein Gesicht trat ein Ausdruck unendlicher Abgespanntheit.
    "Ein ganz interessantes Studienobjekt, dieses Mädchen", stellte er schließlich fest. "Ich fand sie anregender als ihr kleines, übrigens ziemlich abgedroschenes Problem. Sie finden gleichgelagerte Fälle, wenn Sie meinen Index befragen, in Andover im Jahre 77, und vergangenes Jahr gab es Ähnliches in Den Haag. So alt die Idee auch ist, hier gibt es ein oder zwei Details, die mir neu waren. Aber das Mädchen selbst ist äußerst lehrreich."
    "Sie scheinen allerhand an ihr festgestellt zu haben, was für mich unsichtbar geblieben ist."
    "Nicht unsichtbar, sondern unbeobachtet, Watson. Sie wußten nicht, worauf Sie sehen sollten, so ist Ihnen alles Wichtige entgangen.
    Ich werde Sie nie dahinbringen, daß, Sie die Bedeutung eines Ärmels wahrnehmen, die Anregungen, die von Daumennägeln ausgehen, oder gar Schlüsse aus einem Schnürsenkel ziehen. Was folgern Sie aus dem Äußeren der Frau? Beschreiben Sie es."
    "Nun, sie trug einen schiefergrauen, breitrandigen Strohhut, auf dem eine ziegelrote Feder steckte. Ihre Jacke war schwarz, war mit schwarzen Perlen bestickt und hatte am Saum kleine schwarze Jettornamente. Ihr Kleid war braun, eher dunkler als kaffeefarben, und an Hals und Ärmeln mit purpurrotem Samt abgesetzt. Sie hatte graue Handschuhe an, der rechte Zeigefinger war löchrig. Die Stiefel sind
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    mir nicht aufgefallen. Sie trug kleine runde Ohrgehänge aus Gold und machte ganz allgemein den Eindruck, als sei sie in Maßen
    wohlhabend, so daß sie sich ein bißchen Komfort leisten kann."
    Sherlock Holmes klatschte leicht in die Hände und kicherte.
    "Wirklich, Watson, Sie machen Fortschritte. Das war eine sehr gute Beschreibung: Es stimmt zwar, daß Sie alles Wichtige übersehen haben, aber Sie haben die Methode begriffen und Sie besitzen ein schnelles Auge für Farben. Vertrauen Sie nie dem allgemeinen Eindruck, mein Junge, konzentrieren Sie sich auf die Einzelheiten.
    Mein erster Blick gilt immer den Ärmeln einer Frau. Bei einem Mann ist es vielleicht das beste, sich zuerst auf die Hosenknie zu konzentrieren. Wie Sie richtig beobachteten, hatte sie Samt an den Ärmeln; das ist ein äußerst nützliches Material, weil es Spuren festhält. Die Doppellinie oberhalb des Handgelenks, die sich bei einer Maschinenschreiberin durch das Aufstützen am Tisch bildet, hob sich herrlich ab. Eine handgetriebene Nähmaschine hinterläßt ähnliche Merkmale, aber nur am linken Arm, und an einer viel weiter vom Daumen entfernten Stelle, und sie verläuft nicht quer, wie es hier der Fall war. Ich warf dann einen Blick auf ihr Gesicht, und als ich die Druckstellen eines Pincenez an beiden Seiten der Nase sah, wagte ich eine Bemerkung über ihre Kurzsichtigkeit und das
    Maschineschreiben, die sie zu überraschen schien."
    "Mich hat sie überrascht."
    "Aber es trat doch deutlich zutage! Ich fühlte mich überrascht und gefesselt, als ich an ihr hinunterblickte und bemerkte, daß ihre Stiefel, wenn auch einander nicht unähnlich, einen in der Tat ganz
    befremdlichen Eindruck machten. Der eine hatte eine leichtverzierte Vorderkappe, der andere war glatt. Der eine war nur mit den zwei unteren von fünf Knöpfen geschlossen, der andere mit dem ersten, dem dritten und dem fünften Knopf. Wenn Sie nun sehen, daß eine junge Dame, sonst schmuck gekleidet, von zu Hause in
    verschiedenen, dazu nur halbgeknöpften Stiefeln fortgegangen ist, bedarf es keiner großartigen Deduktion, um zu sagen, daß sie das Haus in Eile verlassen hat."
    "Und weiter?" fragte ich aufs äußerste interessiert, wie immer, wenn mein Freund so scharf schlußfolgerte.
    "Nebenbei bemerkte ich, daß sie noch etwas geschrieben hatte, ehe sie das Haus verließ, sie war dabei schon vollständig angekleidet.
    Sie beobachteten, daß ihr rechter Handschuh am Zeigefinger zerrissen war, aber anscheinend ist Ihnen nicht aufgefallen, daß
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    Handschuh und Finger violette Tintenflecke aufwiesen. Sie hat in Eile geschrieben und die Feder zu tief eingetaucht. Das muß heute morgen geschehen sein, sonst Wäre der Fleck am Finger nicht mehr so deutlich zu sehen gewesen. So amüsant das alles ist, für mich war es ziemlich einfach. Aber ich muß an die Arbeit, Watson. Würden Sie mir die

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