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Die Abenteuer von Sherlock Holmes

Die Abenteuer von Sherlock Holmes

Titel: Die Abenteuer von Sherlock Holmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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widersprechen, wenn ich mich irre."
    Der Mann kauerte auf dem Stuhl, der Kopf war ihm auf die Brust gesunken, er sah wie zermalmt aus. Holmes legte die Beine auf die Kaminumrandung, lehnte sich, Hände in den Taschen, tief in den
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    Sessel zurück und fing an, wie es den Anschein hatte, eher zu sich selber als zu uns zu reden.
    "Der Mann heiratete eine sehr viel ältere Frau, um ihres Geldes willen", sagte er. "Und er genoß es, das Geld der Tochter zu verbrauchen - aber das war nur so lange möglich, wie sie bei ihm und der Frau lebte. Es war eine ansehnliche Summe für einen Mann seines Standes, die zu besitzen oder nicht zu besitzen einen großen Unterschied bedeutete. Es war einen Versuch wert, sich das Geld zu erhalten. Die Tochter war von gutmütiger, liebenswürdiger Natur, zärtlich und warmherzig und es war abzusehen, daß sie mit ihren persönlichen Vorzügen und ihrem kleinen Einkommen nicht lange allein bleiben würde. Aber eben ihre Heirat hätte den Verlust von hundert Pfund pro Jahr bedeutet. Was unternimmt der Stiefvater also, um das zu verhindern? Er schlägt den nächstliegenden Weg ein, hält sie im Hause und verbietet ihr die Gesellschaft von Gleichaltrigen.
    Doch bald fand er heraus, daß dies keine Lösung für immer war. Sie wurde störrisch, bestand auf ihren Rechten und verkündete schließlich die feste Absicht, auf einen bestimmten Ball zu gehen. Und was tut ihr schlauer Stiefvater dann? Er faßt eine Idee, die eher dem Kopf als dem Herzen entspringt. Mit stillschweigender Duldung und Hilfe seiner Frau verkleidete er sich, verbarg die scharfen Augen hinter gefärbten Gläsern, senkte seine klare Stimme zu einem schmeichelnden Säuseln, maskierte das Gesicht mit Schnurrbart und buschigen Koteletten und erschien, da er sich zusätzlich sicher fühlen konnte, weil die Tochter kurzsichtig war, als Mr. Hosmer Angel und hielt die Liebhaber fern, indem er selber Liebe mimte."
    "Anfangs war es nur Scherz", stöhnte unser Besucher. "Wir hätten nie gedacht, daß es sie so fortreißen würde."
    "Das glaube ich Ihnen. Aber wie dem auch sei, die junge Dame wurde heftig fortgerissen und da sie wußte, daß ihr Stiefvater in Frankreich war, stieg in ihr der Verdacht auf Betrug auch nicht für eine Sekunde auf. Die Aufmerksamkeit des Herrn schmeichelte ihr und der Effekt wurde durch die lauthals verkündete Bewunderung der Mutter noch verstärkt. Dann begann Mr. Angel vorzusprechen, denn es lag auf der Hand, daß die Angelegenheit, sollte ein richtiges Resultat herauskommen, soweit wie möglich vorangetrieben werden mußte.
    Man traf sich und eine Verlobung fand statt, die endgültig absichern sollte, daß die Zuneigung des Mädchens nicht doch noch jemand anderem zufiel. Aber diesen Betrug konnte man nicht für immer aufrechterhalten. Die vorgeblichen Reisen nach Frankreich waren ziemlich beschwerlich. Es blieb nur, die Sache auf eine so
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    dramatische Weise zu Ende zu bringen, daß ein dauernder Eindruck im Gedächtnis des Mädchens blieb, der sie für geraume Zeit hinderte, einen anderen Freier anzusehen. Deshalb diese Treueschwüre auf die Bibel, deshalb die Anspielungen, daß sich möglicherweise am Hochzeitsmorgens etwas ereignen werde. James Windibank wollte Miss Sutherland so sehr an Hosmer Angel binden und sie über sein Schicksal so sehr im Ungewissen lassen, daß sie in den nächsten zehn Jahren unter keinen Umständen einen Mann erhören würde. Bis zur Kirchentür lockte er sie, und dann, da er nicht weitergehen konnte, verschwand er bequem mit dem alten Trick, stieg zur einen Tür in die Kutsche hinein und zur anderen wieder hinaus. Ich denke, das war der Verlauf der Dinge, Mr. Windibank!"
    Unser Besucher hatte während Holmes' Erzählung etwas von
    seiner Sicherheit wiedergewonnen und erhob sich nun, ein kaltes Grinsen im bleichen Gesicht. "Es mag so gewesen sein oder auch nicht, Mr. Holmes", sagte er. "Aber wenn Sie so klug sind, sollten Sie auch klug genug sein, einzusehen, daß jetzt Sie das Gesetz brechen, nicht ich. Was ich getan habe, war von vornherein nicht strafbar, aber Sie begehen etwas Strafbares, solange Sie die Tür verschlossen halten. Das ist Freiheitsberaubung und Nötigung."
    "Das Gesetz kann Sie, wie Sie sagen, nicht belangen", sagte Holmes, drehte den Schlüssel und stieß die Tür weit auf. "Aber nie gab es einen Mann, der Strafe so verdient hat wie Sie. Besäße die Junge Dame einen Bruder oder einen Freund, der sollte Sie
    auspeitschen. Bei Gott", fuhr

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