Die Abenteuer von Sherlock Holmes
die andere war im Eifer halb erhoben. Der Körper war leicht gebeugt, Kopf und Gesicht vorgeneigt, die Augen
erwartungsvoll aufgerissen, der Mund geöffnet - eine lebende Frage.
"Nun?" rief sie und wie sie sah, daß wir zu zweit waren, tat sie einen Hoffnungsschrei, der in einem Stöhnen unterging, als mein Gefährte den Kopf schüttelte und die Schultern zuckte.
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"Keine guten Nachrichten?"
"Keine."
"Keine schlechten?"
"Nein."
"Gott sei Dank. Aber kommen Sie herein. Sie müssen müde sein nach dem langen Tag."
"Das ist mein Freund Dr. Watson. Er war in verschiedenen meiner Fälle von größtem Nutzen und ein glücklicher Zufall ermöglichte es mir, ihn für diese Untersuchung zu gewinnen."
"Ich freue mich, Sie kennenzulernen", sagte sie und drückte mir herzlich die Hand. "Sie werden verzeihen, wenn Sie nicht alles zu Ihrer Bequemlichkeit vorfinden. Sie müssen aber den Schlag bedenken, der uns so plötzlich getroffen hat."
"Meine liebe Dame, ich bin ein abgedienter Soldat, und selbst wenn es nicht so wäre, sehe ich doch, daß eine Entschuldigung unnötig ist.
Ich wäre glücklich, wenn ich Ihnen oder meinem Freund irgendwie von Nutzen sein könnte."
Wir betraten ein hellerleuchtetes Zimmer; auf dem Tisch war ein kaltes Abendessen angerichtet. "Nun, Mr. Holmes", sagte die Dame,
"ich möchte Ihnen sehr gern ein paar einfache Fragen stellen, auf die ich Sie bitte, mir eine einfache Antwort zu geben."
"Aber gewiß, Madam."
"Nehmen Sie keine Rücksicht auf meine Gefühle. Ich bin nicht hysterisch, noch falle ich leicht in Ohnmacht. Ich möchte nur Ihre ehrliche Meinung hören."
"Zu welchem Punkt?"
"Glauben Sie in der Tiefe Ihres Herzens, daß Neville am Leben ist?"
Sherlock Holmes schien durch die Frage verwirrt.
"Frei heraus", sagte sie. Sie stand auf dem Kaminvorleger und blickte ihn, der in einen Korbsessel gelehnt dasaß, scharf an.
"Frei heraus, Madam, ich glaube es nicht."
"Glauben Sie, daß er tot ist?"
"Ja."
"Ermordet?"
"Das sage ich nicht. Vielleicht."
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"Und an welchem Tag hat ihn der Tod ereilt?"
"Am Montag."
"Dann, Mr. Holmes, haben Sie vielleicht die Güte, mir zu erklären, wie es kommt, daß ich heute von ihm einen Brief erhalten konnte."
Holmes sprang aus dem Sessel, als wäre ein Stromstoß durch ihn gefahren.
"Was?" brüllte er.
"Ja, heute." Lächelnd stand sie da und hielt ein Stück Papier hoch.
"Darf ich ihn lesen?"
"Gewiß."
Er entriß ihr das Blatt, glättete es auf dem Tisch, zog die Lampe heran und untersuchte es eingehend. Ich war aus meinem Sessel aufgestanden und schaute ihm über die Schulter. Das Kuvert bestand aus grobem Papier und war mit dem Poststempel von Gravesend versehen, der das Datum des heutigen, vielmehr des vergangenen Tages trug, denn es war inzwischen beträchtlich nach Mitternacht.
"Plumpe Schrift", murmelte Holmes. "Sicherlich ist das nicht die Schrift Ihres Mannes, Madam."
"Nein, aber die im Brief."
"Ich nehme an, daß derjenige, der das Kuvert beschrieb, nach der Adresse fragen mußte."
"Wie können Sie das wissen?"
"Der Name, sehen Sie, steht in tiefschwarzer Tinte, die ist von selber getrocknet. Der Rest der Adresse sieht eher grau aus, was beweist, daß Löschpapier benutzt wurde. Wenn alles in einem Zug geschrieben und abgelöscht worden wäre, dürfte kein Wort
tiefschwarz sein. Der Mann hat zuerst den Namen geschrieben und nach einer Pause dann die Adresse. Das kann nur bedeuten, daß sie ihm nicht vertraut war. Das ist natürlich eine Kleinigkeit, aber nichts ist so wichtig wie Kleinigkeiten. Nun zum Brief. Ah! Es war eine Anlage enthalten."
"Ja, ein Ring. Sein Siegelring,"
"Und Sie sind sich sicher, daß dies die Handschrift Ihres Mannes ist?"
"Eine seiner Handschriften."
"Eine?"
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"Seine Handschrift, wenn er in Eile schrieb. Sie ist seiner eigentlichen Schrift sehr unähnlich. Aber ich kenne sie gut."
"›Liebste, fürchte dich nicht. Alles wird gut werden. Es gibt ein gewaltiges Mißverständnis und es wird vielleicht einige Zeit dauern, bis es richtiggestellt ist. Warte in Geduld. - Neville"‹.
Mit Bleistift auf das Vorsatzblatt eines Buches geschrieben, Oktavformat, kein Wasserzeichen. Aufgegeben heute. In Gravesend von einem Mann mit schmutzigem Daumen. Ha! Und die Lasche hat, wenn mich nicht alles täuscht, jemand beleckt, der Tabak kaut. Und Sie haben keinen Zweifel, daß dies die Handschrift Ihres Mannes ist, Madam?"
"Keinen. Diese Worte hat Neville geschrieben."
"Und sie sind
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