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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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gegen das Brot ist.«
    Der König atmete laut aus und sagte: »Verstehe. Sie hat dich beschwatzt. Schimmel. Ein Bild – man kann das so sagen, aber ein passenderes fände ich das von der Verkrebsung lebenswichtiger Organe. Ich bestehe nicht darauf, daß das Karzinom gegen den Organismus Krieg führt. Aber ich glaube nicht, daß der Körper vor dem Krebs davonlaufen sollte. Oder daß das überhaupt geht. Sie glaubt das. Ihr Vorrecht.«
    Sie: Das war die in den zwei verbliebenen Städten mittlerweile Unaussprechliche, Lasara.
    »Ich sehe, man steckt hier«, erwiderte der Wolf, »immer noch alle Ressourcen«, ein Blick auf die Laufbänder im unteren Drittel der Spiegel, wo Ziffern der Munitionsfabrikation und der Aufmärsche in Listen entlangliefen, »in die Vorbreitung einer Gegenoffensive.«
    »Ich habe mich nun mal den Dachsen verschrieben. Sie haben tapfer um Landers gekämpft.«
    »Siebenunddreißig Millionen Tote oder Verschwundene, Zivilisten alle, zu den gefallenen Dachsen, und der Schutzherr spricht von Tapferkeit.«
    »Wovon soll ich denn sprechen? Du bist zu jung, Wölfchen. Du kannst nicht urteilen. Georgescus neue Doktrin gefällt mir: unglaublich weit zurückziehen und dann vernichtend schlagen. Und währenddessen darf ich zusehen, wie alles vernichtet wird, was aus dem Samen der Hundertvierundvierzigtausend sich zu so hoher Blüte und Macht hat aufschwingen können.«
    »Drei Städte. Dann zwei. Bald eine. Endlich keine mehr.«
    Der König griff sich in den Kinnbart, wühlte darin herum, betrachtete den Wolf sehr lange.
    Dann sagte er: »Nun, Städte ... Sie haben für unsere Feindin den Vorzug, daß deren Bewohner nicht weglaufen können. In Landers ... haben sie ein altes Archiv mit Geschichten aus der Langeweile gefunden, die Keramikaner. Nanokonserviertes Schichtpapier, alterungsbeständig. Sie haben es ins Wasser geworfen, im großen See. Es quoll auf. Sie haben damit ihre Wunden versorgt. Das heißt also, sie hatten Wunden. Sie leben, man kann ihnen Wunden schlagen, sie können sterben. Ja, ich rede von Tapferkeit.«
    »Ich nehme nicht an«, Dmitri gab sich Mühe, sarkastisch zu klingen, und schämte sich zugleich ein bißchen deswegen, »daß hier viel darüber nachgedacht wird, daß auch wir – Lasara, ich, die andern, die an der Arche arbeiten – Verteidigungsanstrengungen unternehmen müssen, die unser knappes Budget belasten. Aber nicht etwa gegen Katahomenleandraleal, sondern ...«
    Der König winkte ab: »Ach, gegen mich, ich weiß«, er gab sich keine Mühe mehr, die schwere Erschöpfung und sein großes Angewidertsein zu verbergen. Er hat Größe, es ist wahr, dachte der Wolf und erinnerte sich, daß er gern Diener dieses Herrn gewesen war.
    Nicht mehr: Jetzt mußte ein anderer, schwerer Auftrag erfüllt werden.
    Der offizielle, mit dem er sich angemeldet hatte, einen Waffenstillstand mit dem Löwen auszuhandeln, war nur Vorwand. Er schuldete es dem Monarchen – »er ist kein König, das sind romantische Flausen, er ist ein Diktator auf sehr lange Lebenszeit« hatte Lasara geschimpft –, daß er die Wahrheit sagte: »Ich bin hergekommen, um ...«
    »Mich zu töten, ich weiß. Was willst du tun, Wölfchen? Mich mit Mikrokokken angreifen, Vibrionen, Perrhobaktern, die auf mein verbessertes Immunsystem zugeschnitten sind? Mich mit Laserstrahlen versengen, mit Napalm besprühen, mich ersticken, garrotieren, schneiden, schlachten, spießen oder rösten?«
    Der Wolf schwieg, preßte die Zähne zusammen.
    Was fehlt diesem Herrscher? Sertsa. Seele. Die hat er nicht. Es ist, als gäbe es ihn gar nicht, nein, komplizierter: Als habe er sich womöglich sich selbst nur ausgedacht und sei eigentlich ein anderer, kleinerer, engerer.

    Der Löwe fing an, zu lachen. »Natürlich. So ist sie. Selbstverständlich. Alle Achtung. Evolution: Das liebt sie, daran glaubt sie, das hat sie von ihrer Mutter.«
    Der Wolf atmete schneller. Der Löwe sagte: »Warum nicht, also ein Zweikampf. Ein altmodisches Attentat. Der Schnellere, Stärkere, Zähere ... der ... Bessere gewinnt.«
    »Ich kann es schnell erledigen. Es muß nicht weh tun«, sagte der Wolf gepreßt und fragte sich, woher er solche absurden Sätze nahm, wie er hier hereingeraten war und wie das alles enden sollte.
    »O nein, so nicht.« Der König tänzelte leichtfüßig von ihm fort, sah ihn dabei unverwandt an; der Blick behielt etwas Hypnotisches. »Du wirst das ordentlich erledigen, wie man's dir aufgetragen hat. Wir werden uns aneinander

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