Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
konnte nicht anders, er mußte, während er ins Nichtsein hinüberglitt, noch einmal wehmütig lächeln, in alter Bewunderung.
    Das letzte, was er hörte, war die Stimme einer Habichtsfrau – Elektrizitas Pulsipher, so lange verschwunden, rannte die Stufen zum Sandelholzzimmer hoch und schrie: »Laßt mich durch! Ich muß zum König, schnell, laßt mich durch! Wir haben uns geirrt! Ein furchtbarer Fehler! Das Wetzelchen, wie schrecklich, ach, ich weiß jetzt, wo es ist!«

8. Ratschluß, verdunkelt
    Die Gefilde der Gente verfielen in Jammer.
    Aus jedem Haus drang der Kummer über das Ende des Löwen.
    Hier war eine Zivilisation in ihrer innersten Ordnung getroffen, die, wenn sie unterging, kein Archäologe als so weit fortgeschritten hätte erkennen können, wie sie war: So gut wie nichts mehr gab es, das von Maschinen gestützt war, und kaum etwas, das man sicher überhaupt als Maschine hätte identifizieren können.
    Der Wind erwachte hinter den gekalkten Kühlwänden im Rücken der riesigen Archivkathedralen, als er erkannte, daß das endlose Vorspiel zum Geschwisterzwist zwischen den Arglistigen und den Einfältigen unter den Erben der Langeweile zu Ende war.
    Der auf Jahrzehnte ausgedehnte Nachmittag des kostspieligen Friedens ging in einen unruhigen Abend über, und der Wind, der sich wieder regte, wußte schon von der Nacht, die folgen sollte. Die Gente, die sich zu fragen begannen, ob sie nicht doch bloß wilde Tiere waren, gingen in Behausungen, die wieder zu Höhlen wurden, und legten sich, vom Weinen erschöpft, auf ihre Lager.

    Der wiedererwachte Wind fuhr zwischen die verunsicherten Architekturen. Wo Erde gewesen war, hatten die Gente aus Erde gebaut, die Wände polymerisiert, die Quartiere gesichert, die Dächer gedeckt. Wo es Wälder gegeben hatte, waren Bauten aus Holz entstanden, und manchmal waren existierende Menschentürme und Hallen der Überwundenen belassen worden, wie sie gewesen waren, manchmal auch ausgeschlachtet wie Steinbrüche.
    Auf das alles kam es nun nicht länger an.
    Aus seinen Kammern kam der Sturm und von Norden die Kälte. Im Odem eines vergessenen Gottes kam Eis, und die weiten Wasser der Atlantiker lagen erstarrt. Die Wolken beschwerte der rächende Gott mit Wasser, und aus jeder Wolke brach der Blitz. In den Blechdosen rund um die Mündungen rostiger Regenrohre kicherten die Knüttelfeuerchen nicht mehr; sie waren vor Angst gestorben.

    Aus einem dieser Regenrohre aber tropfte der Fuchs als silbernes Öl und gebot dem Orang-Utan Sdhütz Arroyo, sich respektvoll zu den Nachrichten zu verhalten, die als großer Lärm aus dem Regierungsviertel auf alle Straßen und Gassen drangen.
    »Was heißt respektvoll, ich gehe doch bereits gebeugt.«
    »Hättest du Schuhe an, würde ich dir sagen, du sollst sie ausziehen. Trügest du einen Hut, so müßtest du ihn abnehmen. Denn deine Füße gehen auf verfluchtem Boden seit dem Mord, und deinen Kopf trägst du unter einem zerrissenen Himmel spazieren.«
    »Warum«, zweifelte der alte Affe, »nur weil kein Löwe mehr ...«
    »Es gab nie einen Löwen«, sagte das silberne Öl und nahm sich, am verfluchten Boden auftreffend, zusammen, als exakt kreisrunde Pfütze, »das solltest du inzwischen wissen.«
    »Du warst es, mein Chef, nicht wahr? Es hat keinen Herrscher gegeben, nur dich, den Finanzier, und einige deiner Personae.«
    »Personae«, sagte die schillernde flüssige Scheibe, »das klingt nicht richtig. Es waren keine Masken, sondern ... Partiale, sagen wir es so. Die Handelnden des Stücks, das wir hier leben, sind wenige – eine kleine Familie im Grunde und deren Partiale. Der Vater, die Mutter, der Sohn, die Tochter, die Amme. Nicht alle heterosexuell, nicht alle verheiratet, nicht alle ... nun ja.«
    »Wenn ein Dachs ein Wal sein kann, und ich hab das gesehen, dann darf mich das wohl nicht mehr wundern. Was soll ich jetzt tun, was schulde ich dir noch?«
    Kräuseln auf der Scheibe, wie ein ironisches Lächeln.
    »Was?« fragte der Affe, gereizt, aber nicht zu frech im Ton.
    Die Pfütze antwortete wie ein Teufel, dem die Engel leid tun: »Laß die Waffen, letzter Held, aus den letzten Händen ...«
    Der Affe kratzte sich am Rücken. Die Wolken oben stießen jetzt zusammen, es donnerte sehr.
    Der Fuchs sagte: »Das Ganze ist eine Verwechslung. Kürzungen im Text, Kopierfehler ... unbedachtes Durcheinanderschmeißen von Leviathan und Behemoth. Beide Monster sind aus Einzellern entstanden, weißt du. Aber ihre Art, zu jagen und zu

Weitere Kostenlose Bücher