Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
Kiefer aus schlecht geöltem Holz. Ein schlampiger Prankenhieb traf den Wolf auf der Wange und war bei aller Ungezieltheit stark genug, daß Dmitri Stepanowitsch schwarz und rot vor Augen wurde. Aber noch im Taumel biß er zu und hörte den überraschten Löwen gurgeln, glucksen – er hat wirklich nicht geglaubt, daß ich es wagen würde.

    Der Kampf währte lang.
    Die Dachse draußen, allesamt gekauft oder erpreßt, mußten sich beherrschen, sich bei dem gewaltigen Lärm nicht auf eine Seite zu schlagen und einzugreifen, als Mörder oder Retter.
    Es ging dem Löwen ans Leben, und als er das begriff, wehrte er sich mit Wut.
    Es nützte nichts.
    Am Ende waren die Augen voll Blut, die diese Welt gesehen hatten, bevor sie geboren war. Geifer und Seiber flogen, es stank nach Umsturz. Dmitri dachte, kaum noch keuchend, den Alten anzuklagen: Monarch über Götter und Dämonen, und aller Seelen sonst außer deiner Tochter, schau auf den Spiegeln die hellen, rotierenden Welten an, die heute, hier nur du und ich mit unsern kranken Augen sehen, alle zusammen, alle auf einmal, in diesem Raum – was ist die übrige Erde der Gente noch, die wimmelt von deinen Sklaven, die du dir großgezogen hast, damit sie vor dir auf den Knien rutschen, dich vergöttern und loben und all ihre Arbeit tun, und Hekatomben von gebrochenen Herzen schlagen für dich, in Angst und Selbstverachtung und unfruchtbarer Hoffnung. Und ich, dein Feind, der dich kaum noch erkennen kann, aber die Welten um dich, mich hast du jetzt gezwungen, mich noch höher zu stellen, auch ein Herrscher, und ein Richter, und ein König meines eigenen Elends.

    Der Wolf, mit zerschlagener Schnauze, sprach das nicht aus, sondern sank nach hinten, dann auf die Seite, als der Löwe zusammengebrochen war. Dmitri keuchte, stöhnte, war Sieger. Spiegel rauchten, ein Vorhang hing in breiten schrägen Fetzen. Der Löwe versuchte zu sprechen, grinste schwach, wie ein Irrsinniger, dann hörte er auf zu atmen.

    Dmitri blieb mehrere Minuten liegen, spürte, wie sein Verräterherz in Panik schlug.
    Ein Kind. Lasara ist schwanger. Er fragte sich, verwirrt, voll Scham und ganz abstraktem Glück, ob er es heimlich nicht doch gewußt hatte, ob es nicht sogar dieses Wissen gewesen war, das ihn zu dem gemacht hatte, der imstande war, seinen Wohltäter zu töten. Das Kind, soviel wußte der Wolf, wäre niemals in Sicherheit gewesen, Keramikaner hin, Katahomenleandraleal her, solange der Herrscher noch lebte. Habe ich es deshalb getan, aus Beschützerinstinkt? Gibt es Instinkte überhaupt noch, leiten sie mein Tun?
    Er zwang sich wieder auf die Beine, als die Flügeltüren auseinanderglitten und die Bestochenen mit Ärzten hereingerannt kamen. Sie beachteten ihn kaum. Das wichtigste war, den Tod des Königs festzustellen.
    Ein blauer Dachs mit Mundschutz sandte schon Pherinfone los, die den Staatstreich vollenden würden.
    Es gab bereits einen vorläufigen Geschäftsführer des Staates, der an Fäden hing, die fest in Lasaras Hand lagen; das war der Affe Stanz.
    Dmitri Stepanowitsch ging schwankend beiseite, die breiten leeren Stufen des großen Wandelgangs hinunter, zu den Gastgemächern, wo er nur schlafen wollte, lange schlafen. Er blieb unbehelligt, man mied ihn wie eine Krankheit. Als er seine Tür erreichte, hörte er in seinem Kopf die Stimme des Löwen.
    Es war keine Erinnerung, sondern ein Pherinfoplex mit verzögerter Wirkung, den er sich beim Austausch von Blut im Kampf zugezogen haben mußte. Die Lähmung, die als heimtückisches Agens an es gebunden war, setzte bereits ein, so daß der Mörder nicht einmal mehr die Nervenkraft besaß, von dieser Stimme entsetzt zu sein: »Sie wird eine Halbwaise großziehen müssen, kleiner Hund. Es tut mir leid«, Dmitri fiel gegen den Türrahmen, ihm war entsetzlich schwindlig, ein heftiger Würgreflex setzte ein, »denn ich habe dich immer gemocht. Ich mag auch meine Tochter – ich besitze, wie jeder gute Gründer einer mächtigen Dynastie, viel Familiensinn. Aber die Gesetze, die ich für mich und die mir Nächsten erlasse«, Dmitri versuchte, sich zu erbrechen, es gelang nicht, er bekam keine Luft mehr, »dulden keine Ausnahmen. Ich habe mir nun einmal, auch wenn ich einsehe, daß ich meinen Nutzen fürs Tierreich erschöpft habe und daß es richtig ist, mich gerade jetzt zu beseitigen, um meinem Werk eine neue Chance zu geben, dennoch geschworen, daß niemand, der mich umbringt, das Recht haben soll, mich lang zu überleben.«
    Dmitri

Weitere Kostenlose Bücher