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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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wie die Kuppeln in Sedna Planitium. Das waren Treibhauskolonien. Niobe hat, ich sag's dir noch mal, Städte – vierzehn Bezirke in jeder, mit Menschen, die ...«
    »Minderlingen. Nicht Menschen. Es sind Minderlinge, Karikaturen, es ist ein Hohn auf jede ...«
    »Aber sie bauen ...«
    »Und wenn sie Ninive und Ur und Babylon und New York und Landers und Borbruck und Kapseits in doppelter Größe wiedererrichten würden: Er muß den Tempel finden, und er muß durch das Tor. Die Wärmesignatur der Erde ist eindeutig! Es ist erloschen – alles da unten ist erloschen! Wir müssen zurück, wir müssen es untersuchen! Tausendzweihundert Jahre! Weißt du, was das bedeutet, bei exponentiellem technologischem ...«
    »Grimbart ...«
    »Tausendzweihundert Jahre, verflucht!«
    Am Ende wurde die Maschine fortgeschickt, noch schroffer, als der Freund Feuer aus dem Raum verwiesen hatte. Sie schlurfte weg, ohne sich umzudrehen.
    »Sie sieht beleidigt aus«, sagte Feuer, fast mitleidig.
    »Der kommt wieder. Vergiß es.«

    Etwas von den Worten der Maschine zeigte bei den Freunden mit Fell dennoch Wirkung.
    Das Lernen war für Feuer jetzt vor allem körperliches Einüben in allerlei Geschicklichkeiten, die er für seine Aufgabe brauchen würde. Man ließ ihn über die breitesten Lavaflüsse springen oder durch sie waten, bis er dampfte, man ließ ihn von den hohen Wällen springen und sich im rotbraunen Staub wälzen, man griff ihn von vier Seiten an, daß er sich mit Waffen, mit einem Stock oder den bloßen Händen und Füßen verteidigen mußte, man knuffte ihn und trietzte ihn, forderte ihn und hetzte ihn, ließ ihn Gewichte heben und ziehen, schwere Dinge werfen, schnelle Dinge fangen, achtete auf seine Ernährung, auf sein Gewicht, auf seine Muskelmasse, und die Spione aus Atalanta, die ihn mit optischen Geräten beim Sport in den Ebenen und beim Klettern neben den großen grünen Scheinwerferaugen an den Wänden unter seinem Zuhause sich abmühen sahen, waren bestürzt, wie gut er alles meisterte.

    Der schönste Moment von Feuers Kindheit und Jugend ereignete sich wenige Minuten vor beider Ende.
    Er kam gerade zurück zum Steilhang, vom Üben, wie man schnell läuft, kämpft und ausweicht, mit zweien seiner Freunde. Die Übungen hatten sie weit von zu Hause fortgeführt, zu den Strauchflechten; jetzt nahmen sie den langen, gebogenen Weg zurück am Rand der Sümpfe. Feuer spürte jeden Muskel, jede Sehne in seinen flexiblen Gliedern; eine Art leiser Schmerz, der ihm guttat. Er blickte nach allen Seiten, wie um das Land in sich aufzunehmen und den Himmel, und fand, daß er das alles liebte: Die Felsen, die Sterne im Zwielicht des langen Halbtags, die Lebewesen, alle, die er kannte, und Feuer war glücklich.

    Da fand er zu seiner Rechten im Graben einen toten Vaschen, den die Minderlinge ermordet hatten.
    Erst verstand Feuer gar nicht, was das war; es erinnerte ihn an feiste Mahlzeiten, die manchmal, bei den seltenen gemeinsamen Gelagen, in seiner Behausung aufgetragen wurden: prall, glänzend verbrannt, aufgeschnitten, innen zart, voller erstaunlicher Farben.
    Als er begriff, was das war – er ging drum herum, da erst sah er das Gesicht des Toten –, wurden seine starken Beine schwach, und ein Gefühl, das er noch nie erlebt hatte, zog ihn zur Erde, ein Insichzusammenfallen, als müßte er sofort vergessen, wer und wo er war, um überhaupt weiter atmen zu können.
    Viel zu unwirsch – es tat ihm im selben Augenblick leid – wischte er die Tatze weg, die sich auf seine Schulter legte. Der Freund, dem sie gehörte, sagte: »Schlechte Nachrichten.« Feuer sah den andern Freund eins der primitiven Meldegeräte benutzen, das die Freunde auf längere Ausflüge mitzunehmen pflegten: Mit dem kleinen Mikrofon am Mund und dem Kopfhörer auf den Ohren redete er und hörte zu, neigte den Kopf hierhin und dahin, bedeutete den andern, was er hörte – die Tatze hoch – weg – ein Durchwinken – was?
    »Sie haben ... die Leute von Niobe haben unser ... dein Zuhause angegriffen. Wir müssen dich fortbringen. Sie ... brennen alles aus. Sie töten alle.«
    »Fort ... wo ... wohin denn?« fragte Feuer und spürte eine Flauheit im Bauch, die ihm Angst machte.
    »Zur Maschine. Die dich abholen wollte. Du erinnerst dich?«
    Das Gestell. Die Stielaugen. Feuer nickte, stand auf.
    »Also«, sagte der mit dem Funkgerät, »gehen wir. Nein, nicht da lang.«
    Feuer schämte sich, daß er zurückgepfiffen werden mußte – er hatte eben damit

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