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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Zurück an die Front, mach weiter, aus Gründen, die noch weniger in Sätzen zu sagen sind als unsere Instinkte, zurück an die Front, du wirst sterben, wenn wir, die Vorfahren, dir sagen, daß du sterben sollst.«
    Das Buch des Lebens war beeindruckt von der Drastik und Deutlichkeit, mit der sie ihre Sicht aufs Ganze in es eintrug. Es überlegte sich, ob es ihr, die schon so viel ahnte, so viel sah, hörte, roch und verstand, vielleicht verraten sollte, wie sie hieß und wer sie wirklich war.

    In Öl und Blut gebadet rutschte sie durch die Passagen, nahm sich nie mehr aus den Flanken der Feinde, als sie zum Gesundbleiben brauchte, scherte auch manchmal aus den Linien aus, suchte keine Freundinnen und Freunde, keine Kameradinnen und Kameraden.

    Einmal redete sie das Buch direkt an, aus einer unerklärlichen Laune: »Hör mal, Buch. Sei nett zu mir. Gib mir bloß genug Verstand, mich zu fragen, ob ich noch frei bin, auch wenn ich dem experimentum gehöre; erlaub mir das Staunen darüber, daß ich, anders als die Legionen, die hier straucheln, fallen, niedersinken und dabei nicht einmal wissen, wer sie sind, von mir selber reden und denken kann. Gib mir die Kraft, meinen Kopf hocherhoben zu tragen, und wenn sie mich beißen und kratzen, wenn sie mich auslachen und aus dem Kampf schubsen wollen, weil sie glauben, ich sei noch zu jung, kaum geschlüpft und nicht rot genug, dann gib mir die Kraft, ihnen ihre Beleidigungen ins Gesicht zurückzuspucken. Ich brauche keine Hilfe sonst; du mußt mir keinen Schlüssel geben, um die Tür zur Zukunft zu öffnen, und ich weiß, ich werde die Wälle der Burgen erklettern, man wird mich einlassen, nicht mit Stöcken schlagen, nicht mit elektrischem Strom verbrennen und nicht töten, sondern eine der Burgen wird mein Zuhause sein, und man wird mich zu den Aristoi zählen, und ich werde berichten können, vom Kampf, an dem ich teilgenommen und den ich überlebt habe, Amen.«

    Natürlich mußte sie sich vorsehen, wenn sie lange Zwiesprache mit dem Buch hielt. Ein Teil ihrer Aufmerksamkeit und mehrere tragende Plattformen ihrer Spintronik waren dabei von den Reaktionen aufs Geschehen im Kampf abgezogen, das war kostspielig.
    Nicht selten endeten ihre Unterhaltungen mit dem Buch daher damit, daß sie mit einer Lanze in der Schulter zu sich kam, oder mit Pfeilen im Rücken, mit abgerissenen Schuppen, freiliegendem Fleisch.
    Sie kämpfte, wie man atmet, aber wie hastigen, flachen oder keuchenden Atem gibt es auch eine ungenügende Form des Kämpfens, die man nicht lange durchhält. Es war ihr immer ärgerlich, wenn sie sich danach aus dem Krieg aller gegen alle, den kleinen Duellen und den großen Kontinentalverschiebungen der breiten Fronten, für eine Weile entfernen mußte, indem sie die Schwingen ausbreitete, abhob, so hoch wie möglich nach oben strebte und direkt unter den silbernen Wolken im Gleitflug ausgefallene Körperteile regenerierte.

    Schön war's, wenn auch peinlich, natürlich trotzdem, droben im milden Luftzug das Spannen und Ziehen zu spüren, wenn zwei lose Muskelenden verknüpft wurden, oder das langsame Aufblühen eines neuen Auges, durch das ein ausgestochenes ersetzt wurde. Gesundung, Erfrischung: eine Idee vom Frieden.
2. Ihr Name
    Einmal fand sich die kleine rote Echse an einem der wenigen kühleren, zähen, ruhigen Punkte des ewigen Wogens. Sie marschierte ein Stück Wegs mit zwei Bannerträgern, deren Rücken brannten und denen niemand allzu nahe kam, weil sie Sektionsgrenzen abschritten, markierten und stabilisierten, ohne die es den Orbitalstationen nicht möglich gewesen wäre, den Verlauf des ewigen Krieges entsprechend den Programmvorgaben im experimentum crucis zu verfolgen und gegebenenfalls mit Raketenbeschuß oder chirurgischen Lasereingriffen die Frontverläufe zu korrigieren.
    Die jüngste Eingabe der kleinen roten Echse ans Buch war eben angekommen, sie wurde bestätigt.
    Das Buch fragte: »Hast du nicht endlich eine Frage, die wichtiger ist als die bisherigen, eine, die ein wenig Übersicht herstellt über alles, was du schon weißt, Neues und Altes, Dmitri Stepanowitsch und Lasara, die Eltern und die Kosmonauten der Gente?«
    »Ich weiß, woher ich komme, wohin ich muß, was ich besitze und was ich brauche. Aber wenn ich mir's überlege, dann ist das alles noch nicht genug, um zu wissen, wer ich bin, richtig?«
    »Richtig. Du brauchst einen Namen.«
    »Wozu? Wenn ich von mir spreche, sage ich ›ich‹. Und wenn du von mir und zu mir sprichst,

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