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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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angefangen, mit langen Schritten den Weg nach Hause fortzusetzen. Nun blieb er stehen und verstand, daß er nicht wußte, wie es weiterging. Wo lebte die Maschine?
    »Komm mit. Ins Schilf, in den Sumpf. Wir müssen erst sicher sein, daß sie unsere Spur nicht aufgenommen haben.«
    So begann Feuers lange Flucht.

XI.
PADMASAMBHAVA
1. Rot
    Das eigene Blut auf den Füßen und Händen, dunkle Sirupspritzer von hoher Viskosität, in schneller Gerinnung, mit den schwarzen Punkten der spintronischen Blocker darin, kleinen Marienkäferchen, zwischen den eigenen kleinen Krallen, so schlang sich das Reptilmädchen in der ewigen Schlacht um die anderen Echsen, die sich gegenseitig vom Hauptknoten wegschnitten und in die Beine bissen, aufeinander schossen, einander spießten und schlachteten; so schlängelte es sich durch die enge Furt, die ganz angefüllt war vom Schreien und Sterben, von Gledhill nordwestwärts nach Hellas Planitia hinein.
    Das Echsenmädchen empfand nicht Angst noch Schmerz dabei, nur Lust und Neugier.
    Diese sehr junge Kriegerin konnte im Kopf die Bücher abrufen, wenn sie etwas wissen mußte; die Seiten wurden von Schutzengeln aufgeblättert, da fand sie alles über die Signale der Hörner, über die Verlaufsaussichten der Scharmützel und die Ballistik der Geschosse. Bald fing sie eigene Einträge in die Bücher an. Denn so klein sie war, so wenig Fleisch ihre Zähne noch reißen konnten, so sehr sie angewiesen blieb auf Waffen zum Schneiden und Stechen, weil sie die anderen, mit denen man schießen mußte, noch nicht hätte benutzen können, da die einen Rückstoß verursachten, den ihre Knochen erst später vertragen würden, so sicher wußte sie andererseits, daß einmal viel von ihr die Rede sein würde als von einer großen Heldin, die sich schon kurz nach der Geburt aufs Schlachtfeld gewagt, zwischen allen Burgen, in allen Gräben überlebt und Kenntnisse erworben hatte, die in vielen Büchern Echos finden sollten.

    Von Visniac, Liais und Rayleigh im Süden während dreimal zwei roten Jahren stritt sie sich durch bis hinauf nach Tikhow und Wallace, immer nach Westen, nach Norden. Die älteren Männchen mochten sie, das war ein Grund, warum sie durchkam. Viele andere Weibchen wurden totgebissen, geköpft oder verloren Gliedmaßen, wenn diese schweren Kerle ihnen begegneten. Bei der kleinen Echse aber zogen die ältern Männchen es vor, sich zu freuen: »Du bist ganz schön rot«, und jung und glatt und stark: Sie paarten sich mit ihr und waren danach oft so erschöpft, daß es der roten jungen Echse gelang, sie zu töten oder wenigstens zu bestehlen. Wenn das, was sie ihnen wegnahm, Waffen waren, die sie nicht selbst benutzen konnte – etwas zum Abfeuern mit Rückstoß, ein Plasmagewehr, ein spektraler Streuer oder einer jener schweren Lähmer, die den Körper des Feindes mit polykristallinen Metalloxidschichten überzogen, bis er erstickte –, trug sie die Ware gelegentlich in Nester zur Zwischenlagerung, in Nischen großer Schluchten oder auf Felshalden, manchmal auch gleich zu den Siedlungen der Erzspinnen, Dunkelbären, Solitonisten und Herzhunde, zu den Grenzgebieten, wo die Nashornkühe in großen, unbeherrschbar gefährlichen Herden auf den Flitterfeldern weideten, und verkaufte denen, was sie bei sich trug.
    So kam sie bald zu großem Rüstungsreichtum, nämlich bionischem und anderem Gerät, das ihre Überlebenschancen stetig verbesserte: Druckminderer und Ventile aus Erzspinnenfabrikation schützten ihre Muskeln und Gelenke, ihre Augen konnten, verbessert von den Solitonisten im Tausch gegen Schocker, bald ultraviolettes und infrarotes Licht sehen und waren schließlich mit raffinierter diffraktiver Optik, wie sie das dritte Auge der Herzhunde aufwies, beidseitig bestückt. Unter ihrem Kiefer saßen solitonische Nahkampf-Diodenlaser; ihre Flügelverankerung, mit der sie auf die Welt gekommen war, wurde nach und nach durch feinsteuerbare Kleinflansch-Bauteile ersetzt, und an den Hinterbeinen steckten bald zwei große Gasentladungslampen, mit denen sie, wenn sie aus der Luft auf Beute niederschoß, Feinde kurzblitzend blenden konnte, bevor sie die erstach oder aufschlitzte.

    »Du kennst die Welt gut«, sagte eine ältere Echse, ein Weibchen, das sie beim Jungekriegen in einem ausgetrockneten Flußbett überrascht hatte. Dies war ein Fluch, kein Kompliment.
    Die Jungen verschlang die kleine rote Echse, die Mutter schonte sie und erklärte ihr das mit den Worten: »Gegessen habe ich schon,

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