Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
Nanomaschinen, Kleinstkeramikanern. Ich will auch eigentlich überhaupt kein Prinz sein, kein Teil dieser Geschichte, die ich nicht begreife, ich will ein Singtier sein. Mir sagt, weil ich über mich selber bestimmen kann, keiner, wo ich fliege, mir sagt keiner, was ich singen soll, und wenn ich am Ende verlorengehe und ganz allein bin, dann weiß ich wenigstens, daß ich da, wo ich lande, mit meinen beiden eigenen kleinen Flügeln hin bin.
    Später sagte er dem ältesten Freund mit Fell: »Der Siebenvierer ist eine Maschine, die mir nichts tut.«
    »Richtig. Gebaut von den Atlantikern.«
    »Fischen.«
    »Richtig, Fischen. Hier gibt es keine, es fehlt das Wasser für sie. Es gibt die Vaschen, aber das sind keine Fische.«
    »Wie ist das auf der andern neuen Welt?«
    Feuer liebte es in letzter Zeit, das Gespräch auf die andre junge Welt zu lenken. Von allen Welten, deren Existenz ihm bekannt war – der seinen, der andern und der alten –, war die andre die, die ihn am meisten interessierte.
    »Auf der andern Welt«, sagte der älteste Freund mit Fell, »würdest du inzwischen mehr Maschinen kennengelernt haben, wenn du dort ... geboren worden wärst. Solche, die graben, solche, die bauen – dort hat man stärker mit mechanischer Hilfe gearbeitet, nicht weich und fließend wie hier. Also top-down , wie man das in der Langeweile nannte, statt, wie auf dieser Welt, bottom-up . Sie setzen dort auf bulk technology , wie hier auf kleinste assembler und disassembler . Dafür gibt es dort nicht die Blutreiniger, die dir helfen, nicht die kleinen Spinnen in der Spucke, nicht die Millionenaugen der Salamander, nicht die Schlafwolken der Vaschen.«
    »Ich wär gern mal dort.«
    »Vielleicht wirst du's sein.«
    »Gehört das zum Plan?«
    Ein Abwinken mit der rechten Tatze war die Antwort.
7. Eltern und Kinder
    »Also gut, das über Menschen und Maschinen hab ich verstanden«, Feuer wurde ungeduldig, »aber was ist das mit den Eltern und Kindern?«
    »Eltern ... wir haben alle welche, wenn deine dir auch näher sein sollten als meine mir.«
    »Deine?«
    »Man könnte sie statt Eltern auch ›Vorfahren‹ nennen. Die Linie ist länger, die von ihnen zu mir führt, als die Linie von deinen Eltern zu dir. Dachse hießen meine, sie sind im letzten Krieg gefallen, vor dem Exodus.«
    »Gefallen? Vom Himmel, wie die Schiffe der ... Altvorderen?«
    »Gestorben. Getötet worden, von Sachen, die halb Maschinen waren und halb Menschen. Wir wurden weggeschickt, damit wir hier weiterleben. Das haben deine Eltern auch mit dir getan – deine Mutter, die erst eine Braut war und dann eine Witwe, und dein Vater, der erst ein Held war und dann ein Schurke.«

    Feuer runzelte die Stirn, er dachte an Logikbäumchen und das, was Wempes »Inferentielle Stemmata« nannte: Jeder Begriff spaltete sich, seinem Zugriff entfliehend, sofort in neue: Eltern waren Vater und Mutter, Vater war Held und Schurke, Mutter war Braut und Witwe ...
    »Erklär mir's«, forderte er.
    »Der Vater ist, sagen die Menschen, der Mann, und die Mutter ist die Frau. Ich könnte Mutter sein, und nicht Vater.«
    »Was war meine Mutter für eine?«
    »Wie meinst du die Frage?«
    »Denk dich hinein, sag mir, was sie sagen würde, wenn sie hier wäre. Was würdest du sagen, wenn du sie wärst? Was hätte sie zu mir gesagt, was getan, wenn ich bei ihr gewesen wäre auf der alten Welt, so, wie ich hier jetzt stehe?«
    »Ich würde ... das ist ein schwieriges Spiel. Ich würde mich an seine letzten Worte erinnern und mich fragen, ob ich sein Schicksal hinnehmen muß oder mich von diesem schlimmen Ort davonstehlen kann, irgendwohin, wo ich an den Schrecken nicht mehr denken muß, an die Nacktheit nicht und an die Narrheit nicht, an die Gewalt nicht und auch nicht ans Leiden. Ich würde ... am Tag, da die drei Städte fallen ... würde ich eine Glocke läuten hören, als Alarm, in einem der Befestigungstürme. Ich würde einen kleinen Vogel singen hören, und ich wüßte, der arme Wolf hat keine Wahl, er will zuviel. Und meine Pflicht würde ich tun gegen den Sohn, gegen die Tochter.«
    »Deine Pflicht.«
    »Mich wie die andern Frauen erheben über die Flut aus Scharlach, die über uns hinweggeht und die Witwe von der Braut trennt.«
    »Der Mann hat dich verlassen? Der Vater?«
    »Der Vater, der Wolf ... greift hinaus über seine eigene Entscheidungskraft, läßt sich einfangen von der Maschinerie irgendwelcher Schwindler, die sich zu seinen Königen und Geldgebern, zu seinen Löwen

Weitere Kostenlose Bücher