Die Abschaffung der Arten
...«
»Besorgt ... besorgt sich was zum Fressen. Wie wir.«
»Ganz recht. Hier, und jetzt ... jetzt beschleunigen wir das. Da, eine neue Nahrungsquelle. Sie frißt. Und dann ...«
»Noch 'ne Veränderung! Das ... was wird's jetzt, eine Pflanze? Stiel, Stengel, und oben eine Art Frucht ...«
»Eine Sporenkapsel. Und wenn die Sporen ausgeschüttet werden, beginnt der Zyklus neu. Wir sehen, ausgestreut ...«
»Wieder Myxamobae. Frische Einzeller.«
»Richtig. Verstehst du?« Feuer grübelte einen stillen Augenblick lang.
Dann sagte er: »Weil sie so was nicht konnten. Die Menschen. Deshalb ist ihnen passiert, was ihnen passiert ist.«
Die Freundin schüttelte den Kopf: »Nein, Unsinn. Nicht, weil sie keine Schnecke bilden konnten. Sondern weil sie's, ohne dazu gerüstet zu sein, dauernd versucht haben. Eine Verwechslung: Personen sind keine Myxamobae, egal, ob sich's um Menschen, um Gente, um dich oder mich handelt.«
Die Oberfläche erblindete. Die »große Wabbelwahrheit«, von der Wempes abfällig gesprochen hatte, dachte Feuer: Die Menschen haben sie auch verpaßt.
Die Freundin sagte: »Es kommt nicht darauf an, herauszufinden, was das Leben eigentlich ist. Es kommt nur darauf an, was man damit anfängt.«
Feuer nahm sich's zu Herzen, das heißt, er bat den Vasch fortan, ihn nur noch praktische, Feuers eigenen Körper betreffende Dinge zu lehren, von denen Wempes wußte, weil er sich mit Feuers Physiologie auskannte wie niemand sonst.
Feuer erfuhr also, wie er seinen Urin mit seiner chemisch sehr ungewöhnlichen Spucke an der Sonne zu etwas reagieren lassen konnte, das sich wieder trinken ließ, so daß er auf langen Märschen im Heißen trotz Schweiß und Verdunstung weniger Flüssigkeit verlor. Feuer lernte, wie er mit offenen Augen schlafen konnte und erst erwachen mußte, wenn diese Augen etwas sahen, das sein Hirn beachten wollte. Feuer verstand, wie er seine Gliedmaßen, Arme und Beine, für eine begrenzte Zeit strecken oder stauchen konnte.
»Ich bin seltsam«, sagte Feuer, als er das alles verstanden hatte.
Der Vasch widersprach nicht.
6. Große und kleine Maschinen
»Und die Maschinen?«
»Du kennst genügend Maschinen. Du könntest nicht atmen, nicht trinken und essen, wenn es keine gäbe – auch wenn du selten welche aus der Nähe siehst.«
»Du meinst die Himmelsreiniger? Die Siebenvierer, die oben die Geodätischen entlangfliegen und Chemtrails hinter sich lassen?« Er hatte sie bei Aufenthalten in den Becken von Cleopatra, einem Krater unter den Osthängen, in großer Höhe kreuzen sehen, die Luft nachbereitend, zur Sicherung der Morgenbläue und der Abendkühle.
Die schönen, kühlen Abende gab es hier selten, weil die Tage so lang waren. Dreimal immerhin schon hatte Feuer in seinem kurzen Leben Gelegenheit gehabt, auf dem Felsvorsprung am Rand seines Zuhauses zu sitzen und den Himmel nach Siebenvierern abzusuchen. Wenn er keine sah, legte er sich auf den Rücken, wartete den langsamen Sonnenuntergang ab und dachte sich Geschichten aus, übers Fliegen: Heute bin ich oben gewesen, an meinem Lieblingsort im Himmel, und bin im Kreis gereist, immer im Kreis, hoch über der Welt, und ich dachte, wie schön das ist hier mit den Wolken, zu gleiten, ab und zu ganz laut zu schreien, und auf die kleinen Flügel sich zu verlassen. Dann bin ich einem Siebenvierer begegnet, der hat mich weggedrängt, deshalb mußte ich landen, da landete der Siebenvierer auch; sah mir ins Gesicht und sagte: Prinz Feuer, ich weiß nicht, warum du dir überhaupt die Mühe machst, ich weiß nicht, wohin du überhaupt fliegen willst, ich weiß nicht, wie du hoffen kannst, lang und weithin zu fliegen mit diesen kleinen Flügeln. Aber ich wollte ja gar kein Himmelsreiniger sein, das sagte ich ihm dann auch, ich fühlte mich mißverstanden, ich wollte nur ein Feuervogel sein, nicht die Schmutzstellen im Himmel auseinanderreißen, nur vielleicht mein Lied eine Weile singen. Ich will nicht das Wichtigste sein, ich will nicht in einem Blinzeln von hier nach dort gelangen, ich fliege nicht, weil das die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist, ich fliege im Kreis. Ich will nur Teil von dem sein, was da oben so schön ist, so wasserblau, hoch über den alten Gluten und den neuen Feldern. Ich will auch kein Floh sein und keine Wanze und keine Laus, kein Held in dem verrückten Zirkus, den die Freunde mit Fell immer veranstalten, wenn sie Tierchen bei mir finden, weil sie dann Angst vor Maschinen bekommen –
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