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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Glasglöckchen unter den Tragbalken, neben den Quecksilberschwingspiegeln und sogar über den Weinflaschen auf seinem Tisch. Unwillig wedelte er mit der zarten Marionettenhand: »Sicher, schön, bissige Scheiße, was denn jetzt noch?«
    Ein konischer Bedienter rollte nah heran und sagte: »Wir haben eine Anmeldung, eine Eintragung in den Besuchsbüchern vorliegen – Raphaela Dictioniga Römer und Eon Nagegerg Bourke-Weiß haben ihr Kommen annonciert, sie möchten ein bißchen spielen, schmuddeln, reden und ...«
    »Fein, ich geruhe gleich zu kotzen«, rülpste Sankt Oswald ungehalten. Er haßte, bei aller Liebe zur Gattung an sich, alle Aristoi aus diesen beiden Familien, mit ihrer Wagenburgmentalität gegenüber dem, was zwischen den Burgen war, mit ihrem ewigen pikierten Schweigen übers experimentum crucis , er haßte es im Grunde, daß sie Aristoi waren, fiel ihm plötzlich auf, ja, es war ihm zuwider, daß sich überhaupt irgendwelche Leute Aristoi nannten statt Gente, der paar mickrigen Verbesserungen wegen, die sie spazierenführten. Gerade hatte er sie geliebt, jetzt haßte er sie, so war das im höchsten Alter. Es ekelte ihn an, daß sie den Mars neuerdings »Ares« nannten, es schauderte ihn vor den mythologischen Mätzchen, mit denen sie ihre Wichtigtukultur ausschmückten: daß man jetzt Stücke spielte, Filme programmierte und Algorithmen Literatur verfassen ließ über Aphrodite und Ares und darüber, wie der Schmied Hephaistos zwischen diese beiden Götter geraten war.

    Wozu der Schnokus?
    Um damit phantastisch zu überhöhen, was seit den letzten Nachrichten von der Erde die Furcht aller Marsbewohner war, nämlich daß das harmonische, gegeneinander restlos gleichgültige, inzwischen bis auf sehr wenig Funkverkehr mit den sogenannten Siebenvierern der andern Welt praktisch vollständig kommunikationsfreie Nebeneinanderherexistieren der beiden Geschwisterzivilisationen in Gefahr geraten könnte, weil sich die Erde, der Schmied Hephaistos eben, erneut bemerkbar machte, und zwar auf die unangenehmste Art, auf die man sich bemerkbar machen kann, durch völliges Verstummen?

    Sankt Oswald verabscheute, jetzt endlich wurde ihm das bewußt, schlankweg die gesamte angeblich so hochverfeinerte, in Wahrheit rohe, abgeschmackte Manier, in der Leute wie diese Raphaela und dieser Eon ihre dürren Mores so zurechtbogen, daß sie sich vor ihrer historischen und politischen Verantwortung verstecken konnten.
    Am Allerobszönsten fand er, daß Raphaela Dictioniga Römer und Eon Nagegerg Bourke-Weiß seine Nähe suchten, um ihn in ihre faden reenactments hineinzuziehen: »Ich bin Phobos, er ist Deimos«, quakte Raphaela dann gern, oder Eon sagte: »Sie ist Aneros, ich bin Eros«, und Sankt Oswald durfte den Doppelstecker geben, das Scheibchen Geist zwischen zwei Hälften Fleisch, oder man übertrug ihm die Regie, wenn die beiden Abstoßenden aus so einer Sache wieder einmal einen Film zu machen begehrten, vielleicht sollte er beißwütige Kinder aus den Gräben zwischen den Burgen besorgen, Echsen und dergleichen, für Mißbrauch, Unzucht, Schabernack.
    Die brachten sich dann in Käfigen rings um die erotisch ineinanderverschlungenen Aristoi gegenseitig um, unter Geschrei, in das sich das unaufrichtige Gestöhn der beiden Widerlichen mischte, weil das nun einmal deren törichte Vorstellung von Verworfenheit war ...
    Pfui, diese Aufdringlichkeit, mit der sie nach der Frau fragten, weil die, das ewige Gerücht auf zwei Beinen, laut überall in den beknackten Kreisen geflüsterten Vermutungen, so oft wußte, wie es weiterging: Was an politischen, meteorologischen oder langfristig klimatischen Beränderungen auf dem Mars anstand, wer demnächst sterben würde, wer geboren würde, um ein Held zu sein, was für Kunst in den Burgen die nächsten Sommer dominieren würde – von Seherinnen wie ihr ging in allen Burgen längst die Rede, sie mischten sich in alles mögliche ein; nur Sankt Oswald wußte, daß es immer dieselbe war, nämlich eben die, die er kannte.

    Eon und seine Schnatze ließen bei aller Neugier nie auch nur das geringste Anzeichen merken, daß sie seine Behauptung, er sei einer der wenigen, die von einer der Seherinnen (nun ja) Besuche erhielten, für bare Münze nahmen. Aber Löcher fragten sie ihm trotzdem in den Bauch: Wird Prangel noch mehr rote Filme machen, die man kaum erträgt, wird es sehr heiß werden, wann ist das neue Kristallbecken fertig?

    »Was soll ich den Herrschaften antworten?« begehrte

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