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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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der Konische zu wissen.
    Sankt Oswald ächzte, befangen, zermürbt: »Aaah Dreckpapier. Sag ihnen halt, heut ist es schlecht, ich warte auf ... äh, bäh: einen ganz besonderen Gast«, wenn schon widerlich, dann richtig.
    Der Konische rumpelte davon und ließ Sankt Oswald mit dem Gedanken zurück: Ich hab den Kopf voll Stroh / und das gehört sich so.
    Bevor er Gelegenheit fand, sich gänzlich in Reue aufzulösen, fuhr ihm Klavierkrach aus dem Musikzimmer in die hölzernen Glieder – eine Visitenkarte, nicht mißzuverstehen: Die saumselige Seherin war eingetroffen.

4. W
    Wie üblich alterslos – Anfang zwanzig, Mitte dreißig? –, weißhaarig, barbusig – immerhin nicht nackt, wenn auch ohne Schuhwerk, sie trug eine schmutzige Uniformhose, die freie Haut war verschmiert mit Ruß und Asche, glänzte auch, als hätte sie sich in der Nähe eines umluftintensiven Ofens aufgehalten –, wie üblich mit dem silbernen Kettchen um den Hals, an dem, mit kleinsten Diamanten besetzt, ein Schmuckstück hing, ein altes Symbol – das Lautzeichen »W« in einer der alphalinearen Schriften der untergegangenen Menschheit –, so sah Sankt Oswald beim Eintreten ins Musikzimmer seine Wohltäterin am Flügel sitzen, wo sie mit ungeheuer flinken, sensiblen, aber starken und gelenkigen Fingern ihre Witze mit dem älteren Erbe trieb.
    Der heutige Mumpitz begann mit einer gehässigen, aber sehr lustigen Parodie der Art und Weise, wie Glenn Gould die Bachschen Goldbergvariationen als junger Mann zu spielen pflegte, setzte sich fort in ein paar Takten Debussy, ging zu Jazz und Gershwin über, dann Fragmenten aus Nocturnes von Chopin, und zum Abschluß, als die ausgestopfte Clownspuppe, der dieser Flügel gehörte, sich räusperte, um Frau Späth darauf aufmerksam zu machen, daß der Hausherr seinen Anspruch aufs Zurkenntnisgenommenwerden anmeldete, fummelte die Komponistin, jetzt merklich lustloser, an ein paar Volksmelodiekleinigkeiten von Witold Lutos|lawksi aus jenem denkwürdigen Jahr herum, als die vorletzte der Hypermachien der Langeweile zu Ende gegangen war.
    »Na, alter Krauter, wacklig auf den Knien?« begrüßte sie ihn und stand auf.
    Ein Roboter servierte ihr ein Glas gekühlten Tee mit zwei Zitronenscheiben.
    »Ich brauche wirklich wieder Holz von Livienda, wenn Sie das meinen.«
    »Ah, shit, yeah , tut mir leid. Fuck you, fuck your parole officer. Hab ich vergessen. Hm, nee, also, bring ich noch – das heißt, ich werd's gestern gebracht haben, sonst kommt mein itinerary komplett durcheinander – frag mal deinen Hausmeister, das geht dann ... wird dann klargegangen sein.«

    Die Puppe faßte sich wie geistesabwesend an den Hals, legte einen empfindlichen Schalter um und flüsterte in eine kopfintegrierte Wechselsprechanlage. Der Apparat bestätigte, daß Frau Späth gestern nacht bereits getan hatte, was hier eben erst als Entschluß gefaßt worden war: Die Scheite und Zweige lagen, in ein schwarzes Samttuch eingeschlagen, auf dem Balkon des zweitobersten Stockwerks von Sankt Oswalds Wohnturm.
    »Na schönen Beinschienenbruch und vielen Dank auch«, verbeugte der sich steif, »dann wird das ja ein kurzer Besuch, von wo auch immer her Sie heute zu mir kommen, in diesem ... leicht besengten Zustand.«
    Die Komponistin kippte den Eistee auf Ex, wischte sich mit dem Handgelenk den Mund, zwinkerte der Puppe zu und sagte: »Pföh, sei mal lieber froh, Kasperle, daß ich dich nicht als meinen Leibwächter auf solche Touren mitnehm. Obwohl's noch eine ganze Weile hin ist, würde dir die Zeit nicht reichen, dich innerlich vorzubereiten auf das, was ich gestern nacht ... oder in zweihundert Nächten, wenn wir dein Maß zugrundelegen ... erlebt habe, öhm, oder erleben werde ... erlebt haben werden werde? Grammatik, du liebe Zeit.«
    Wirklich neugierig war er nicht, aber eine Art ausgeleierter Ergebenheit der Frau gegenüber hielt ihn dazu an, artig nachzufragen: »Und was sind das so für Erlebnisse, die Sie ... gewesen ... sein ... was ... wird werden ...? Sie sehen aus, als wären Sie mitten ins experimentum gestolpert.«
    Beim Näherkommen fiel ihm auf, daß er den Schmutz auf ihrer Haut nicht ganz richtig gedeutet hatte: Es handelte sich nicht allein um Ruß oder zerstäubte Ascheflocken, da waren auch Blessuren, blaue Flecken, Schrammen, ein paar Blutergüsse. Sie bemerkte seinen Blick und bleckte die strahlend weißen Zähne: »Ins was? Ins Ex ... ach so, na, ihr Marsmännchen und euer verrückter Kleintierzoo. Dabei kann

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