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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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schnell, es überleben kaum welche je so lang wie ich, wenn sie so weite Reisen wagen, wie ich sie zurückgelegt habe. Aber das allein ist es nicht gewesen, immer habe ich auf mehr gewartet, mich gefreut, aber auch geängstigt, was das sein könnte.

    Ein einziges Mal nur hatte sie unmittelbar erlebt, wie es war, wirklich zu den andern zu gehören, das Schlachten so zu erleben, wie die das tun, die nur dem Instinkt folgen und nichts denken: Da war ihr der Kiefer verrutscht, und so biß sie den Unterlegenen, mit dem sie sich erst in sexuelle Rangeleien und dann in einen Kampf auf Leben und Tod eingelassen hatte, aus Versehen statt in den Adamsapfel ins Gesicht. Irgendeine selbstreparierende Leitung im Zugang zu ihrer eigenen Spintronik hatte sich mit seiner falsch verknüpft, deshalb dachte sie plötzlich, ein paar Sekunden lang, mit dem Hirn des Sterbenden, auf dem sie hockte. Sein Denken war ihr sofort widerlich, viel weniger straff als ihr eigenes, seine Schlüsse schienen schlampig, die Sprache, die er hatte, war nur ein Stammeln, und was er für das Buch des Lebens hielt, mit dem er sich beriet, war ein erbärmlicher Dreck – fehlende Seiten, kaum Gerüche, falsch abgelegte Töne, eine poröse und flattrige Denkapparatur. Ihr wurde übel vom Haspeln und Rödeln da drin, ihr war, als könnte sie die Logikgatter beim Knarzen und Ächzen beobachten, von denen die Qubit-Spin-Photoneninteraktionen in diesem Holzkopf reguliert wurden.
    Da wußte ich, daß ich so nicht bin und nie sein werde.
    Und jetzt kenne ich nicht nur die Welt, sondern mich selbst, Padmasambhava, in deren Name schon der Weg mit ausgeschrieben ist, der nicht nur aus den Gräben in die Burgen führt, sondern weit darüber hinaus, auf die andere Welt und sogar auf die alte.
    Ich bin ein Grund zum Erschrecken, zum Jubeln.

    Und ihr heißliebstes Schlachtfeld drunten, das klirrende Aufeinanderschlagen von Metall, das Zischen der Flammen, das Knacken der Knochen, alles das blieb zurück, für diesen Moment.
    Sie stieg noch höher, durch die silberne Wolkenschicht hindurch. Oben war es kalt und klar, grünlich blau.
    Als sie die Orbitalstationen erkannte, die lackschwarzen Kreisel in der Nacht, lachte Padmasambhava.
    Die Stationen erkannten sie auch und sandten ihr Grüße aus der Vergangenheit, aus der Zukunft, von überall und immerher.
3. Ein Emigrant
    Sankt Oswald klopfte mit hölzernen Fingerknöcheln auf seine ebenso hölzernen Beine; er wollte wissen, wie morsch er schon war.
    Heute morgen stand eine neue Lieferung an, wie alle hundert Jahre – nun ja, ungefähr alle hundert: Er war nie bereit gewesen, die marsianische Zeitrechnung zu übernehmen; wie die meisten Aristoi, das heißt die meisten echten Überlebenden aus der Zeit der Gente und jene, die sich mit guten oder weniger guten Gründen als deren direkte Nachkommen darstellten, dachte er noch in den Tagen, Monaten, Jahren, Lustra, Dekaden und Jahrhunderten der Erde.
    Das neue Holz würde, vereinbarungsgemäß, von dem Stamm genommen werden, der aus Liviendas letzter Saat gewachsen war. Der stand in der großen ersten Burg am Nordpol, eine Art Kreuz auf dem Reichsapfel.
    Sankt Oswald hoffte – vergeblich, wie er bereits ahnte –, daß ihn die, die ihm das Holz bringen wollte, dabei nicht zu sehr mit ihren Aufträgen und indiskreten Fragen demütigen würde. Er hatte sich fest vorgenommen, nur diejenigen Teile seines verlebten Leibes von ihr ersetzen zu lassen, die es absolut nicht verschmerzen konnten, weiterhin unersetzt zu bleiben.
    Die Lieferantin war ihm, der von sich und den anderen Aristoi manchmal schwermütig als von »den Emigranten« sprach, einerseits eine gute Freundin, andererseits aber ein Greuel. Er wünschte manchmal, er könnte sie, die weder Emigrantin war noch hier geboren, endlich vergessen.
    Sankt Oswald sehnte sich überhaupt oft danach, etwas oder jemanden endlich vergessen zu können.
    Bei seinen regelmäßigen Gedächtniswäschen tauchte immer wieder Schmutz aus dem Flusensieb der Jahrhunderte auf, der dort unter traumatischen Umständen hängengeblieben war. Manchmal schickte dieser Unrat sogar halluzinatorische Echos in den Alltag der Puppe – seit jüngster Zeit, das heißt, seit der letzten Generalüberholung seiner Spintronik, hörte Sankt Oswald in hypnagogischen und hypnopompischen Phasen sogar den Pudel wieder bellen, der einst Kurator von Sankt Oswalds Museumsheimat gewesen war, und selbst der Esel Storikal schaute ihm hin und wieder aus einer Tasse

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