Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
Klang waren sogar das Herz der Ausbildung. Ihr »Gesellenstück«, wie Sankt Oswald sagte, bestand darin, die Form des vier-zu-siebzehn-dimensionalen Turms, in dem sie mit Sankt Oswald lebte, in einem Kanon zu codieren, Frequenzen wurden ihr zu Faserbündeln und umgekehrt, die tongrammatischen Regeln der Vorzeit, von der Sonatenform bis zu den Clustern, an denen sich die Aristoi berauschten, mußte sie zergliedern und Stemmata dafür schreiben lernen. Musikinstrumente waren mit dem abstrakten Begriff des nichtlinearen Oszillators zu vermitteln, das Verständnis der Vibration von Saiten verlangte ihr die Erarbeitung eines nahezu vollständigen neuen Systems der Physik ab ...

    »Ich frage dich lieber nicht, wozu ich das alles brauche«, sagte die Echse, »aber es wär schon lieb, wenn du mir zum Lohn für die Torturen wenigstens erklärst, was ich sonst so wissen will, auch wenn es sich um Dinge handelt, die ... weitab liegen von Musik und Mathematik.«
    »Was wüßtest du denn gern?« neckte er sie.
    »Geschichte.«

    Also gingen sie gemeinsam, unterstützt von einer wahren Sintflut an altem Bild- und Tonmaterial, die seine Spintronik barg, noch einmal den gesamten Gang der Angelegenheiten des Lebens seit der Befreiung des Gentegenoms von den Zwängen der Langeweile durch – erstens im Gröbsten: wie der Löwe zu seinen proteischen Mitteln gekommen war und woher er seine prometheischen Zwecke hatte; warum man so lange gebraucht hatte, die Menschen, obwohl sie bereits besiegt waren, aus den Ökotekturen zu drängen; wie man auf die Offensive gegen die menschlichen Hände verfallen war; welche Rolle dabei ihr Vater gespielt hatte; wie dieser und Lasara die Luchsin zusammengekommen waren; dann die große Landnahme durch die Keramikaner; der Exodus auf den Mond; die nächste genetische Selbstverwandlung als Parallelschöpfungsakt der Bewohnbarmachung von zugleich Venus und Mars; endlich die Saat – sie und ihr Geschwister –, die erst aufging, als die kontinuierliche Beobachtung aus sicherer Entfernung die erwarteten Neuigkeiten von der Erde brachte.
    Als zweites ging's in die Details, darunter vor allem die strategischen und taktischen der kleinen und kleinsten Wendungen des allgemeinen Geschicks: »Also, das alles, daß sie da knapp dem Tod von der Schippe gesprungen sind, die vier – na ja, bis auf den armen Storikal –, das war von Ryuneke ausgeheckt, deshalb kam Hilfe zwar spät, aber doch gerade noch rechtzeitig, richtig?«

    »Selbst Katahomenleandraleal war eingeweiht, ja«, erklärte Sankt Oswald, hörbar nicht frei von Bewunderung für die Winkelzüge der Puppenspieler jener weit entfernten Vergangenheit, »und der Sinn ...«, das konnte Padmasambhava nun ohne Mühe selbst ergänzen: »...der Zweck war, für alle, die im Pherinfonnetz hingen, die heroische Statur von Anubis, Huan-Ti und Hecate hervorzuheben: Sie hatten den Keramikanern die Stirn geboten, sich mit ihnen geschlagen, wie wir das hier in den Gräben tun. Also wäre es jedenfalls keine Feigheit, diesen dreien auf den Mond zu folgen. Der Exodus, hieß die Botschaft, ist keine Flucht, sondern die kühne Tat von ...«
    »Von Helden, ja«, flüsterte die Gliederpuppe. Der leise Ton sollte sagen: Es ist alles lange her, und man hat immer noch daran zu tragen, wenn man's erlebt hat.
    »Noch eine Frage.«
    »Ja, mein Reißzahn?«
    »Der Wolf. Dmitri Stepanowitsch Sebassus. Ich verstehe nicht, daß ... ich meine, warum hat er sich breitschlagen lassen, zu dieser Selbstmordmission, zum Mord am Löwen, von Lasara, wo er doch – ich meine, aus herzinnigster Liebe kann das nicht gekommen sein. Und daß sie schwanger war, hat er ja nicht gewußt.«
    Sankt Oswald lächelte geheimnisvoll, fast böse: »Und warum kann's aus herzinnigster Liebe nicht gewesen sein?«
    »Philomenas vierzehnte Chronik, die, sagen wir ... erhärtet wird durch verschiedene Kommentare zu den Gesprächen zwischen der Fledermaus und dem Löwen, besonders die Epsilon- und Tau-Nachschriften, und die Dokumente der Wolfsliederabteilung, das Brittpapier ...«
    Meiner Treu, dachte die Gliederpuppe, im Bibliographischen macht der Kleinen keiner mehr was vor.
    »...da findest du unmißverständlich, daß Lasara nicht, also, dieser untreue Hund da ...«

    »Wenn ich mir die Sachen durchlese und die Oper von den Fliegenden Katzen anhöre, die Apis Olmy Seeer auf dem Mond geschrieben hat ... Es gibt, wenn ich das richtig sehe, Fraktionen der Forschung, die sich völlig sicher sind, daß er

Weitere Kostenlose Bücher