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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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behalten hat, über die Spiegel in der Umlaufbahn, übers Schmelzen der Polkappen zur Gewinnung gasförmigen Kohlendioxids, über die Verdickung der sich bildenden Atmosphäre in den tieferen Kratern, über die Zelte, über die Photosynthesephase, über die Nahrungsketten, über die Etablierung der Burgen da, wo die ersten lokalen Ökotekturen aufblühten, und schließlich über die Implementierung des experimentum crucis in den Gräben, als eine Art Schmuck am fertigen Bau.

    Futurismo? »Ich schlag's nach«, versprach sie ihrem Hausgenossen.
    Sankt Oswald winkte ab, dann fiel ihm noch was ein (und sie sah sich um, über die Schulter: Ist nicht doch das da meine Mutter, dieses Zackentier, statt der Luchsin, von der das Buch spricht?): »Was lernen wir aus alledem? Wie hat ein Weiser mal gesagt: Ja, man kann eine Ratte dressieren. Wenn man stundenlang, tagelang, wochenlang, monatelang, jahrelang mit der Ratte arbeitet, dann kann man eine Ratte dressieren. Aber alles, was man dann hat, ist eine dressierte Ratte.«
3. Akkorde statt Treppen
    Das Leben in Ausschweifung, das Padmasambhava im Haus (»am Hof« sagte sie jetzt gern) von Eon Nagegerg Bourke-Weiß geführt hatte, ließ sich bei und mit Sankt Oswald nicht fortführen.
    Obwohl er mitunter an den obligatorischen Orgien teilnahm und ab und zu auch, seinem Stand als den Aristoi irgendwie seitlich Affiliierter gemäß, bei sich selbst welche abhielt, spielte derlei in seinem Leben eine untergeordnete Rolle. Sie war's zufrieden, hatte »den Blödsinn« ohnehin satt und nahm sich lediglich einen jungen Geliebten. Sankt Oswald sagte: »Ja, laß dich mit einem von diesen Knaben in Strumpfhosen ein, mit schwarzer feuchter Nase und Fell auf der Schulter, dann bist du die Sorge los, wer dir nachstellt.«
    Der Kerl war »ursuform«, wie das Buch des Lebens ihr verriet, das heißt: ein Humanoide mit Bärenanlagen. Er bewährte sich als guter Liebhaber, großzügiger Wirt, führte sie in Konzerte und Museen, zeigte ihr auch die andern Burgen, nahm nicht zuviel von ihrer Zeit in Anspruch und hieß Lodas Osier (sie mußte das öfter im Buch nachschlagen, es entglitt ihr immer wieder, wer und was er war, nämlich vor allem ein bißchen gesichtslos und ein wenig zu schlank – auf dem Schlachtfeld hätte sie ihn mangels Masse nicht einmal gefressen).

    Lodas Osier besaß ein Luftschiff, von dem aus man die Burgen verlassen und das Getümmel in den Gräben verfolgen konnte, was sie besorgter und neugieriger tat, als ihm auffiel, der solche Ausflüge nur für einen besonders dekadenten Spleen seiner Liebsten hielt.
    Da sie ihm bei diesen Touren durch die Luft ein bißchen davon verriet, wie sich das Dasein aus der Sicht der Kämpfenden ausnahm, gab sich der Arme eine Weile, als teilte er die agonale Weltsicht der Grabenbewohner: Er rempelte auf Festen Bekannte an, übte sich in Kampfsportarten, entwickelte eine ganz überflüssige und schrille Eifersucht gegen andere Liebhaber der Echsenfrau, besonders den dummen Eon, der doch nur bei den langweiligsten Orgien überhaupt noch zum Zuge kam, und führte schließlich die seit vierhundertvierzig Jahren vergessene Unsitte des Sichduellierens wieder in der heimatlichen Burg ein. Zweimal schlug er sich nach atavistischen Regeln mit Eon Nagegerg, beide Male wurde er getötet und natürlich umgehend wieder auferweckt, dann verlor er glücklicherweise das Interesse an der ganzen primitiven Idee, hatte aber unterdessen Nachahmer in anderen Burgen gefunden. Wäre er in dieser Sache nicht schließlich zu Verstand gekommen, dachte Padmasambhava, gleichermaßen abgestoßen wie gereizt, so hätte sie ihn vielleicht doch noch gefressen.

    Jede Minute, die sie nicht mit eitlen Beschäftigungen an der Seite ihres Galans verbrachte, schenkte sie der Erziehung durch Sankt Oswald und seine Roboter.
    Hinter allem, was die lehrten, stand, wie er bald verriet, seine Prophetin und Bekannte, Frau Späth: »Die darfst du fürchten. Sie hat direkt unter der Nase der Herrin der Erde gelebt, sie kennt Katahomenleandraleal persönlich.«

    Viel von dem, was unterrichtet wurde, eigentlich das meiste, hatte mit Musik zu tun, und mit Mathematik: die Abbildbarkeit von optischer Wahrnehmung euklidischer und nichteuklidischer Projektionen in Mustern auditorischer Wahrnehmung. Kontrapunkt. Infinitesimalrechnung. Lieder der ausgestorbenen Vögel und Wale der alten Erde. Die ehemalige Echse lernte, Akkorde in Treppen zu übersetzen. Morphismen zwischen Architektur und

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