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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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zweiwöchentlichen Ritual.
    »Wie befindet sich Livienda? Geht es ihr gut? Was für eine Gestalt hat sie?«
    »Madame hat ihren langen Löwennamen abgelegt und durch einen nicht weniger langen ersetzt. Die Kennung wird gleich ausgegeben. Der neue Name ...«
    »Um ihren ehemaligen Gemahl zu beschämen?«
    »Madame hat erklärt, daß sie nicht der Ansicht sei, er werde seinen vielen Titeln noch gerecht. Cyrus undsoweiter, das sei, sagt sie, eine lange Namensschleppe, die nicht verbergen könne, wie sehr sein Geist auf die Dimensionen seines Kopfkissens geschrumpft sei.«
    Man lachte; wenn auch ängstlich.
    »Wie sollen wir sie also nennen?«
    »Informell hat Madame ihr Genügen daran, wenn man von ihr als ›Livienda‹ oder ›Dame Livienda‹ spricht. Gewissen, nun, sagen wir, stammesgeschichtlichen Investitionen, für die sie einzustehen wünscht, wäre es aber gemäß, wenn man sie in amtlichen und wissenschaftlichen Zusammenhängen bei ihrem neuen vollen Namen Livienda Sonya Gina Anya Katya Nisi Saba Scheba Mattha Catriona Elyce Finfin-Fain nennen würde.«
    »Bezieht sich das auf eine Ausdifferenzierung von Sub-Individualitäten im Schwarm?«
    »Gut, daß Sie das fragen«, das Laufschwein rümpfte putzig den Rüssel, »es gibt mir Gelegenheit, einem unvermeidlichen Mißverständnis entgegenzutreten. Madame hat nicht nur ihre Ehe mit dem Löwen gelöst, sie ist auch kein Gründerschwarm mehr. Die Hexapoden, deren, ähm, Gemeinwesen sie war, sind entweder tot oder in alle Himmelsrichtungen zerstreut, als nunmehr freigesetzte und«, Hébert zwinkerte, weil er wußte, daß sein Publikum die Anspielung verstehen würde, »auch autonome Glieder eines autotomen leiblichen Vorlebens. Im Gegensatz zu den Leuten, von denen ihr euch hier in den drei Städten und in Atlantis regieren laßt, also zweifelhaften Zelebritäten wie Philomena, Jodenzi, Kaneun und anderen ihres Schlags, wurden die Abgetrennten mit dem Geschenk vollständigen Vergessens ihrer pheromonregulierten Treuepflichten für geleistete Dienste mehr als großzügig belohnt.«
    »Ganz ähnlich wie Sie selbst?«
    »Kein Kommentar. Nun ja: Kein Kommentar in der Hauptsache, die ist privat. Zur Nebensache, um die es Ihrer Frage eigentlich geht, darf ich sagen: Ich setze meine Arbeit für Madame aus Treue fort, nicht aus Zwang.«
    »Wenn Livienda kein Gründerschwarm mehr ist«, fragte der Zander Westfahl Sophokles Gaeta, der als Sohn des Sohnes des berühmten ersten atlantischen Botschafters in Borbruck zu den höchststehenden Bündnisgenossen des Laufschweins im politischen Spiel gehörte, »was ist sie dann?«
    Das Laufschwein schüttelte den Kopf und schnüffelte. Nicht der große Haufen an den Tansceivern, wohl aber dieser Fisch verdiente eine aufrichtige Antwort, schließlich war er schon jetzt für eine der leitenden Positionen in der Administration von Liviendas Projekt bestimmt. Wie sagte man's ihm?
    »Was ist sie?« fielen andre ein. »Wer?«, »Wie?«
    Der Zander blickte Hébert unverwandt an.
    Da verriet Hébert Loskauf mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern gerade so viel, wie er, im äußersten Bedrängnisfall, zu verraten ermächtigt war: »Sie ist, ich würde sagen: ein Baum geworden.«
    »Ein Baum, wie ...«
    »Dringt nicht weiter in mich, Gente.«
    »Aber die nötige Technologie ...«, »...die Pfote Ryunekes im Spiel, wenn nicht ...«
    »Ihr irrt. Es hat ...«, er lächelte melancholisch, »...zwar mit Proteomik zu tun, soweit das Wort außer von ›Proteinen‹ vielleicht ja auch vom ›Proteus‹ herstammt. Aber ...«
    »Ein Baum?« staunte ein verschlafener Halfterfisch, der sich in einer atlantischen Leuchtblase aufhielt und zu spät zugeschaltet worden war, um die abwehrende Haltung des Laufschweins zu genaueren Fragen mitbekommen zu haben. »Wie wurde sie ein Baum? Und sag uns auch: weshalb?«
    »Auf dem normalen Weg. Und aus den Gründen, aus denen wir alle nach Wachstum streben«, versicherte das Laufschwein, das sich jetzt gefangen hatte: »Frucht, Sproß, Hauptwurzel, Seitenwurzeln, reckt sich, kommt aus sich hervor, strebt in die Sonne. Alles, was man schon während der Langeweile drüber wußte, gilt ja weiterhin.«
    Westfahl Sophokles Gaeta ließ sich so leicht nicht abwimmeln: »Hébert, entschuldige, aber so geht das nicht. Wir fragen das nicht als irgendwelche Gente. Viele von uns, die heute hier teilnehmen, gehören zum vorgesehenen Stab des Reformprojekts. Wir wollen Livienda selbst sprechen.«
    »Wozu?« Hébert war

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