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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Amüsement die seltenen Nachrichten vom auffälligen Verhalten der Herrschertochter Lasara.
    Die Klatschplattformen der Pherinfonportale lebten seit einem Dutzend aufgeregter Sommer von nichts anderem als den Parties, Drogendelikten, Selbstverstümmelungen, Affären und theoretischen Leistungen des Wunderkindes, das sich im Okkasiviertel von Kapseits niedergelassen und sich in teils rührender, teils besorgniserregender Parodie der Vita ihrer Mutter mittels mehrerer Heiraten, Scheidungen, Identitätskollusionen, Partialabspaltungen und Rekombinationsmanöver viele extreme Erfahrungen und einige neue Namen zugelegt hatte. »Sie heißt jetzt Lasara Iemelian Oktet Chukwudi Ottobah Sandra Belle Placide Lais Olbers Vinicius Golden«, verriet Hébert seiner fernen Herrin.
    »Wenn das so ist«, erwiderte sie, und es klang ihm inzwischen wie ein Wiegenlied, »dann bin ich darüber ebenfalls zufrieden.«

    Lasaras Leben mochte ein einziger Unfall sein, ihre geistige Laufbahn war alles andere.
    Nachdem sie mit einer makellosen Herleitung der »Abweichungen der Wirtschaftszyklen des befreiten Tierreichs von den national- und globalökonomischen Gesetzmäßigkeiten der Vorfahren während der Langeweile unter besonderer Berücksichtigung der eingetretenen Ungültigkeit des Okunsabyoschen Gesetzes von der Elastizität der Ratio des tatsächlichen zum möglichen produktiven Output eines gegebenen Erzeugungsraums« die Adlermedaille der wissenschaftlichen Gesellschaft des IV. Aedilskonzils gewonnen hatte, warf sie sich auf die Biologie.

    Hier erwarb sie sich zunächst höchste Verdienste um die Renaissance der Idee der Orthogenese, ging dann zu deren politischer Nutzanwendung über, mischte also eine Weile unter atemberaubender Steigerung ihrer persönlichen Skandalrate in den obersten Rängen der polyarchischen Partei mit (mehrere Verhaftungen und demonstrativ harte Strafen im Zusammenhang mit Pielapielpalastbesetzungen, Pherinfonverkehrsdisruptionen und anderen Akten zivilen Ungehorsams, darunter der Organisation einer dreiwöchigen Massenblockade zweier Dachskasernen im Umland von Kapseits, waren die Höhepunkte ihres Engagements).
    Als der dissidente Dachs Oudemans Dahl sich auf einer Sitzung des Parteivorstands mit donnerndem Groll gegen »pueriles Hysterietheater« und »reiche Schnepfen, die uns als Vehikel für ihre abstoßende Selbstinszenierung mißbrauchen« aussprach, lachte sie ihm ins Gesicht und erklärte formlos ihren Austritt aus der Partei: »Wißt ihr was? Leckt mich, ihr Leichen.«
    Als ihr Ruhm nicht mehr steigerungsfähig schien, ließ Lasara ihren zahlreichen Bewunderern in allen einschlägigen Programmen der Schwingspiegel, Schirme, Blätter, Datenschaumkronen und Pherinfoplexe ausrichten, sie habe sich »im Beobachterparadox verfangen: Wir können nicht sehen, wie Gente sich aufführen, die von niemandem gesehen werden, und deshalb lege ich jetzt meine Namen eine Weile ab, auch mein Gesicht, das ihr alle dauernd küssen oder ficken wollt, und suche mir eine neue leibliche Konfiguration. Es ist nötig geworden, daß ich mir eine Weile selber aus dem Weg gehe.«
    »Sie macht's, wie's ihre Mutter gemacht hat«, dachten und sagten viele.
7. Ob man der Tochter trauen sollte
    Zwischen dem siebzehnten und dem achtzehnten Esprit-Fest, das Hébert Loskauf als besonders geehrter Gast der Hunde, der Katzen und ihrer gemeinsamen Ziehkinder in Borbruck verlebte, hatte das Laufschwein eine folgenreiche Begegnung: Die Libelle Philomena sprach bei ihm vor. Sie überbrachte eine Warnung des Löwen: »Livienda kann machen, was sie will, mit ihrem Vermögen und auch sonst. Aber das Unternehmen könnte sich als ein riesiger Mühlstein um ihren Hals herausstellten – der Reifen, den sie den Fischen gebaut hat, ist am Ende einer, durch den sie selbst springen muß, wie ein dressierter Pudel.«
    Hébert Loskauf gab sich unbeeindruckt: »Ob ich dieses Zeug überhaupt weiterleiten will, weiß ich nicht. Das Motiv für die Drohung scheint mir allzu durchsichtig.«
    »Drohung?«
    »Er hält ihr vor, daß sie ihr Vermögen, auf das er keinen Zugriff mehr beanspruchen darf, zum Fenster hinauswirft, weil sie damit eine Aufgabe in Angriff genommen hat, vor der er sich seit Ewigkeiten drückt. Die Gente, Frau Libelle, fangen schon an, sich zu fragen: Warum muß eigentlich eine zurückgetretene Ministerin aus eigener Tasche finanzieren, was Aufgabe des Staates wäre? Er droht ihr, das Projekt zu sabotieren, damit sie es

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