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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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wöchentlich schmutzige Liebesbriefchen, auf Menschenhaut geschrieben, zwischen den beiden Eigensinnigen von der Front ins Hinterland und zurück.
    Selbst die Orkanwinde aus Giften wurden irgendwann müde in diesem Krieg; das Laufschwein nie.
    Am Ende, hieß es in den Archiven, soll Livienda mit Izquierda und anderen Technikerinnen einen Weg gefunden haben, den Getreuen aus seiner Pheromonsklaverei zu befreien. Die Kur wurde verabreicht, aber Hébert Loskauf blieb dennoch bei ihr.
    »Zur Identität bei bewußten Geschöpfen«, lautete eine der letzten Nachrichten, die Livienda ihrem Gatten vor der endgültigen Trennung hatte zustellen lassen, »gehört wenigstens die Illusion des freien Willens. Ein gutes Beispiel: Was mit deinem Geschenk passiert ist.«

    Danach hatte sie hundertsiebzig Jahre abgeschieden gelebt, ohne Wortmeldung in den kollektiven Angelegenheiten der Gente.
    Ihre offizielle Rückkehr nach dem Kügelchentriumph fand nicht in Gestalt eines persönlichen Auftritts statt – was immer »persönlich« bei ihrer bekannten Abneigung gegen identitäre Festschreibungen bedeutet hätte –, sondern bestand außer in dem rätselhaften Forumsbeitrag vor allem in einem finanzpolitischen Eingriff, dessen Durchführung in Borbruck von Hébert Loskauf überwacht wurde.
    Auch das Laufschwein war lange nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Jetzt stellte es sich den Pherinfoplexen, nachdem erste Berichte von seiner neuen Rolle aufgekommen waren, und erklärte: »Madame wünscht ihren Verpflichtungen auf verantwortungsvolle Weise nachzukommen. Sie hat mich hierher nach Borbruck geschickt, um alte Irrtümer zu korrigieren.«
    »Beabsichtigt sie«, wollte der Affe Stanz wissen, der sein als Künstler errafftes Vermögen inzwischen dazu benutzt hatte, sich in ein Aedilsamt einzukaufen, und kurz darauf zum Affensprecher für die Zwei-Städte-Koalition Borbruck – Landers gewählt worden war, »in die Politik zurückzukehren?«
    »Das kommt darauf an«, Héberts Lächeln wirkte nicht völlig aufrichtig, »was man unter Politik versteht. Sie will ein Stiftungsstipendium ausschreiben, um das Gametenrecht von ... Experten reformieren zu lassen. Sie hat, bevor sie mich mit dieser Aufgabe betraute, dem Empfinden Ausdruck verliehen, sie habe diesen Zweig des Genterechts in, ich zitiere, ›ziemlich zerwuscheltem Zustand‹ zurückgelassen, ›aus persönlichem Ärger über den Bock, der sich für einen Löwen hält‹.«
    »Um wieviel Geld geht es?« hakte der Affe nach, ohne die antileonische Unverschämtheit zu kommentieren.
    Hébert ließ eine Summe aufleuchten.
    »Aber das ...«, die zugeschaltete Revisorin der Getreidebank rang nach Atem, »ist so viel, daß man ... wo nimmt sie so viel her?«
    »Aus der Lasarastiftung.«
    »Aber dann«, empörte sich Stanz, »liegt das Stammkapital blank. Das wird alle Zinsfilter abtragen, da kann doch ...«
    »Sie läßt ihr Kind, falls das deine Sorge sein sollte, nicht mittellos zurück«, Hébert Loskaufs Mimik verriet, daß er keinen Augenblick daran glaubte, das könnte wirklich die Sorge des Affen sein, »selbst wenn der Zinsertrag von diesem mutigen Vorstoß vielleicht auf ein, zwei Dekaden ohne Überbleibsel aufgezehrt ...«
    Wie erwartet redeten jetzt alle durcheinander: »Wer wird das anleiten?«, »Wer wird sie ausarbeiten, diese Reform?«, »Wo?«, »Wann?«, »Was für Gremien werden gebildet?«, »Welche Quasispezies sind vertreten?«, »Welche sollen vertreten sein?«
    Das Laufschwein lehnte es wie angewiesen ab, sich dazu irgend zu erklären.
    In Wahrheit hatten alle erforderlichen Vorbereitungen bereits begonnen; auch einige der Frager waren informiert und versuchten mit ihren Fragen lediglich, andere über ihren Wissensstand zu täuschen.
    Das Laufschwein brach die Pressekonferenz ab und wandte sich konkreteren Geschäften zu.

    Alle Gente wollten bald ihr Stück vom Kuchen.
    Hébert Loskauf manövrierte umsichtig durch die beschleunigten Datenströme. Man drang besonders von seiten der atlantischen Botschaft in ihn, Personalentscheidungen zu treffen und auch bekanntzugeben; er hatte früh Fühlung mit den ozeanischen Nationen aufgenommen. Deren exzellente Rechtshistoriker, Gametenkasuisten und Raumordner wurden auf der ganzen bewohnten Erde geachtet. Es gelang Hébert, die heiklen Dinge immer genau so lange unter Verschluß zu halten, bis sie tatsächlich entschieden waren.

    Unterdessen hielt er sporadisch weitere Pherinfoplexbegegnungen ab. Bald wurden sie zum

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