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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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nicht nur Hébert Loskauf wußte, daß von Katahomenleandraleal die Rede war.
    »Das Verhältnis von Sexualität, Fortpflanzung, Überlebenserfolg, Kampf, Krieg, Ausrottung ist zu sichten, durch alle in Bewegung geratenen Taxa hindurch, und aus dem, was diese Sichtung ausweist, sind die Konsequenzen zu ziehen. Wir werden das Faktenmaterial erarbeiten – wir haben bereits begonnen, die ersten Funde sind äußerst vielversprechend –, die Entscheidung aber treffen alle Gente, wir, als Gemeinwesen. Wir müssen sie bald treffen. Wir dürfen nicht säumig bleiben, bei Strafe des Untergangs.«

III.
ZUR MUSIK
1. Vom Hafen
    »Bei Strafe des Untergangs«: Dmitri kostete den Satz wie eine überreife Erdbeere.
    Er fand, das klang saftig genug für dieses Frühjahr, das einen Sommer versprach, der wieder so heiß werden mochte wie jener im Jahr des Angriffs auf die Menschenhände.
    Dmitri mochte den Zander, wie der da so zierlich, detailkrämerisch, weit ausholend und gleichzeitig erkennbar kampfentschlossen von den vielen Verwandtschaften und den komplizierten Geschlechtern redete; von weiblichen Hyänen, in deren Organismus das männliche Hormon Androstendion die Aggressivität hervorrufe, für welche die Art berüchtigt sei, »und doch verhalten sie sich, was die Reproduktion betrifft, ganz schicklich, ja sind fürsorgliche Mütter, woraus wir ersehen können, daß die, wie soll man sagen, weiblichen Bereiche ihres Hirns auf irgendeine Weise wohl, nun ja: geschützt sind vor den Androgenen, die ihr aggressives und territoriales Verhalten maskulinisieren«.

    Dann folgte einiges, ja vieles, von den Menschen, die fast verschwunden waren, und daß es bei denen einen genetischen Marker für Aggressivität und Gewalt gegeben habe, der, »wo er auftrat, die Wahrscheinlichkeit des Begehens einer Bluttat ums Neunfache gegenüber dem Fall seiner Abwesenheit zu steigern vermochte«, nämlich »die menschliche Männlichkeit als solche«.
    Nach diesem lustigen Hinweis hielt der Experte sich eine Weile bei der fiktiven Überlegenheit auf, die sich homo sapiens erfolgreich eingeredet hatte – gegenüber allem Fleisch sonst, den Vögeln, dem Vieh und allem Gewürm, das auf Erden kriecht, und bei den schlimmen Gesellschaftskrankheiten, die von allen Wesen auf der Welt nur diese angeblich Überlegenen gekannt hatten, darunter der übelsten, zu deren Symptomen chronische Anämie, Mangelernährung und schwere Erschöpfung gehört hatten, in der Langeweile bekannt unterm Namen »Armut«, übertragen von der Mutter aufs Kind, mit auffällig höheren Übertragungsraten unter Weibchen.

    »Sie wollten sich vor allem unterscheiden, von den Vögeln nach ihrer Art, von dem Vieh nach seiner Art und von allem Gewürm auf Erden nach seiner Art, und unterschieden haben sie sich von denen ja auch wirklich. Menschen waren aus anderen Menschen zusammengesetzt gewesen, wie man heute sagt.«
    Der Wolf merkte auf und fletschte die Zähne: Das sagte nicht »man«, das hatten die Maschinen im Urwald verkündet. Zur Lehre Bene Gente gehörte dieser Satz jedenfalls nicht.
    »Oft aber war die Konstruktion schadhaft, oft war die Integration der Teile mißlungen. Wir müssen«, sprach der Zander und spielte schnellgeschnittene Filme dazu ein, »wenn wir verstehen wollen, wie alles kam und was davon auch auf uns gekommen ist, zurückgehen bis in die Grundlagen des Geschlechtlichen und insgesamt Biotischen.« Weiß der Fuchs, dachte der Wolf, dieser Zander versteht sich drauf, einen Satz zur Waffe umzubauen. »Wir müssen aber auch das Gesellschaftliche verstehen lernen, die mehreren tausend Jahre, in denen die Menschen daran herumgebastelt haben; denn aus ihren Fehlern ist viel zu lernen. Männer und Frauen: Als sie den allgemeinen Reichtum erreicht hatten, blieb doch der allgemeine Wohlstand aus. Warum? Die Sterberate verbesserte sich – in den reichen Ländern. Die Kinder dort überlebten das Säuglingsalter immer öfter, Lebensstandard und Lebensqualität wuchsen, aber im Zuge dieser Fortschritte wurden die Neigung des Männchens zur Gewalt und die Fähigkeit des Weibchens, Junge zu gebären und aufzuziehen, zu Problemen, wo sie zuvor evolutionäre stabile Strategien gewesen waren – nicht länger Natur, sondern ein Haufen sozialer Sorgen, der die Wohlfahrt bedrohte. Die Menschen fanden keine Lösung. Warum nicht?«
    Ein Filmchen über einen Schimmelpilz platzte ins Bild und verging – Einzeller wurden zu einem multizellularen Organismus, der, nachdem er

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