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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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also, das muß ich so grob sagen, einen greulichen Misthaufen aus falschen Ansätzen und verkehrten Begründungen zugemutet, als die richtige Lebensform für Gente, nach der Befreiung. Evolutive Vorteile, stabile Strategien, Selektion, immer dieselben Stichworte aus der Hoch- und Spätlangeweile – aber wer sagt uns überhaupt, daß wir diesen überkommenen Plunder nur mit einem Vorzeichenwechsel versehen müssen, vom Kopf auf die Füße stellen, von innen nach außen krempeln, um unsere Zukunft erfolgreich planen zu können, um unser Genomerbe zu schützen und, soweit möglich, zu verbessern? Ich kenne mich, um rasch persönlich zu werden, unter Wasser aus – schöne Farben hat meine Heimat, sie fördern den ästhetischen Sinn. Das sehen Sie, hier, oben, unten, überall im Torus – und die jüngeren unter den Antilopen haben«, er schenkte den Angesprochenen, die sich noch immer bewegten, als atmeten sie durch Mund und Nase (die Alterierung ihrer Physiologie mit Kiemen und stabilisierenden Flossen war ihnen selbst nach dem langen Aufenthalt im Torus nicht zur zweiten Natur geworden), ein freundliches Nicken, »uns gleich in der zweiten Woche unserer Arbeit hier eine schöne Studie über die genetische Abkunft der klassischen Fischfarben vorgelegt: je bunter, desto größerer Paarungserfolg. Gut, fein – kräftige Farben, das denkt man sich leicht, stehen für ausgezeichnete Gesundheit – aber woher wissen wir, daß das nicht einfach eine Überlebensfrage war, daß also etwa Jäger bunte Beute verschmähten, weil man an der Buntheit sah, daß diese Protogente fliehen würden, also zuviel Hatzaufwand erheischten? Männliche Lerchen singen ihre berühmtem Lieder, wenn sie von Falken verfolgt werden, nicht nur als Ouvertüre zum Vögeln. Überhaupt scheint mir, auch im Lichte der berühmten ökonomischen Outputergebnisse von Lasara Iemelian Oktet Chukwudi Ottobah Sandra Belle Placide Lais Olbers Vinicius Golden«, Hébert zuckte zusammen, wie er hoffte, unmerklich: Was für ein gefährlicher Name, was für eine politisch riskante Nennung in diesem Kontext, der Zander ließ wirklich nichts aus, »in den Präliminaruntersuchungen dieser Arbeitsgruppe eine falsche Betonung der Nutzfaktoren sexualbegleitender Unterschiede zwischen dimorphen Spezies gegenüber einer realistischen Betrachtung von deren Kosten vorgeherrscht zu haben – ein Vorurteil, dessen wir uns inzwischen schon bei vielen weiterführenden Studien glücklich entledigt haben, genau wie des falschen Verständnisses der sozialen Eigenarten unserer Ahnen, der falschen Maße der Partnerwahlquoten und so weiter. Aber ›fortschrittlich‹, meine Freunde, können wir das alles nur nennen, wenn wir uns unserer Zielsetzung dabei bewußt werden, wenn wir sie unbeirrbar verfolgen, wenn wir uns nicht mehr abbringen lassen davon. Wie lautet sie? Das läßt sich simpel sagen: Wie können wir die maximale Vielfalt innerhalb der verbliebenen äußerlichen Arten sowie hinsichtlich der Anzahl der überhaupt vorhandenen Varianten mit dem Überleben der Tierwelt, der Biosphäre insgesamt, im Lichte erwartbarer wie unerwartbarer Gefahren auch gametenpartnerrechtlich, nicht nur militärisch, sichern?«
    Die Stille, die dem Zander antwortete, meinte unmißverständlich Zustimmung.

    »Das ist es«, bekräftigte Westfahl, »und nichts sonst. Mit der Möglichkeit erneuter Auslöschungen großen Stils muß immer gerechnet werden«, das Laufschwein sog scharf Atem durch die Nasenlöcher ein: Der Zander kam zum riskantesten Punkt, »auch im glücklichen Zeitalter, das wir bewohnen, selbst im ewigen Frieden, den man uns verspricht. Der Löwe Cyrus Iemelian Adrian Vinicius Golden hat uns eine neue Lebensweise geschenkt. Wir ehren ihn nicht, indem wir sie unbesehen so belassen, wie sie an ihrem Ursprung ausgesehen hat.«
    Eine höflichere Majestätsbeleidigung war nicht denkbar.
    »Niemand hat sich bis jetzt ernsthafte Gedanken darüber gemacht, ob wir die letzten Menschen beseitigen, in Reservate wegsperren, unserem Genpool zuführen, optimieren, in unsere Gesellschaft einladen sollen, oder was wir sonst mit ihnen tun und inwieweit das mit dem harmonieren kann, was wir untereinander anstellen. Die Frage nach dem Sodomism, wenn der ulkige Ausdruck gestattet ist, stellt sich erneut, aber in umgekehrter Richtung. Denn was uns jetzt bedroht, hat diese Frage auch gestellt und sie beantwortet. Das Schlimmste ist: Wir wissen nicht einmal, wie.« Er unterließ die Nennung des Namens, aber

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