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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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sich vorgenommen, die schummrige Hotelbar wenn möglich bis spät in die Nacht nicht mehr zu verlassen und dann allenfalls ein, zwei Stündchen durch die engeren der Borbrucker Gäßchen zu streifen, auf der Suche nach Hinweisen aufs Meinungsklima, die der Löwe gebrauchen konnte.
    Das Hotel war ein glasbetonierter zylindrischer Riegelrundbau, über eine Brückenaufhängung in den Stadtkern integriert, orthogonal zum Benzolring. Die meisten Gäste dieses wie der übrigen zentralen Hotels hielten sich wegen der ersten Verlautbarung der Reformstiftung in Borbruck auf; ganz wie Dmitri Stepanowitsch selbst.
    Er war inkognito gekommen, ohne riechbare Diplomatenkennung. Umsichtigerweise hatte er überhaupt noch niemandem, mit dem er nicht unmittelbar zusammenarbeitete, auf die Nase gebunden, daß er vor einem halben Jahr mit dem Weltenbummlertum abgeschlossen hatte und in die Dienste des Löwen zurückgekehrt war. Borbruck sollte nur die erste Station auf der neuen geheimdiplomatischen Reise sein. Sein eigentliches Ziel war Landers.

    Der Barkeeper, ein Stromfrosch aus den Sümpfen hinterm Vorortgürtel von Kapseits, interessierte sich so gut wie gar nicht für die Liveübertragung der Rede des Zanders, sehr dagegen für die Geschichte der brenzligen Abenteuer des Wolfs, die dieser, teils wahrheitsgemäß, teils wild zusammengelogen, im Tausch für die inzwischen vierte Runde »aufs Haus« zum besten gab. Sie war das Aufregendste, was der Frosch zu hören bekommen hatte, seit ein Habichtsmädchen aus dem Isottatempel von Kapseits einmal sturzbetrunken bei ihm erschienen war, sich in die Bewußtlosigkeit weitergesoffen und auf dem Weg dahin einen stockend deliranten Monolog in seinen aufgestellten Kragen gelallt hatte, den er bis heute nicht vergessen, aber auch nicht verstanden hatte: »Das ...Wetzelchen ist der Weg, aber der ... Weg ist nicht das Wetzelchen ... wir ... wir ... die Kirche hat wird ... wird, wir ... es wird ... Wetzelchen wird im ... weder im, wo nicht, wo der Fuchs nicht nirgendwo überall ist, wo ... weil der, der ist nirgends und über, überall ist der ... aber das ... das Wetzelchen ist weder nirgendwo noch überall sondern ... eben da wo im Gegenteil, im Gegenteil vom Fuchs ...«

    Hauptsache Nachschub: »Komm, mach noch einen.«
    »Klar, sicher. Und dann?« fragte der Frosch und schenkte ätzenden Krautschnaps ein.
    »Gut, also, der Hafen, weißt du«, holte Dmitri gedehnt aus, »der Hafen stand zu dem Zeitpunkt ja schon seit zwei Tagen und Nächten in Flammen. Hätt ich gewußt, worauf ich mich einlasse, ich wäre lieber noch ein bißchen im Gebirge geblieben.«
    »Wo du den Fallensteller gerissen hast?« Der Frosch rekapitulierte, was der Wolf ihm erzählte, alle zehn Minuten, mit drolligem Eifer. Dmitri schleckte nach dem guten Gift im Glas, dann fuhr er fort: »Mmpf, also. Da an den Docks, die Horden ... konnten mich nicht verängstigen. Wer waren die schon? Bettler, Bananenpacker und andere Tagelöhner, die den Kadaver dieser Riesenfrau glotzend und ungläubig umstanden. Ich gucke also hoch, und was seh ich hinterm Feuerschein?«
    »Was siehst du?«
    »Einen Streifen Blau. Ein Licht. Ein Zeichen, denk ich mir. So eine Art Bann, eine spukhafte Hausrechtsbehauptung. Gefährliche Geister. Aufgesagt von den Insekten, weißt du ...«
    »Solche, wie Madame Livienda war?«
    »Richtig, diese Art.Das kannten die da nicht, aber bei uns weiß man ... na, waren ja alles Bauern gewesen, bevor sie in die drei Städte gekommen sind. Verzweifelt geradezu, was ihre ... ich meine, die wollten unbedingt zeigen, daß sie auf dem laufenden waren. Jeder kannte meine Feuermarke, niemand kannte mich.« Er ließ sich vom Frosch, passend dazu, einen krummen Zigarillo anzünden.
    »Na und dann?«
    »Ja, was? Die Insekten hatten ihre Rechte geltend gemacht. Der Pöbel glotzte. Unfreundlich, knurrend, um den Eindruck zu verstärken, den sie von mir gewonnen hatten, wandte ich mich ab. Erreichte auch ohne ihre Hilfe den Hafenabschnitt, den ich suchte.«
    »Wo die Traumtanker anlegen.«
    »Ja.«
    »Hattest du die Mittel? Ich meine, für den Zugang, für die Passage?«
    Der Wolf antwortete mit gepreßtem Schnauben, er fand die Frage lustig. »Ich hatte Karten. Tauchte meinen teuersten Trumpf ins kalte Wasser, zum Aufladen, du kennst die alten Akkukärtchen, Izquierdafabrikat. Auf Plastahl, aber magnetisiert. Fraß erst mal etwas rohen Fisch, versteckte mich, als der Zugang bezahlt war, ein paar Tage in einem der Tanker, um

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