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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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vierte Generation nach der Befreiung. Du gehörst nur zur zweiten.«
    »Nur. Klingt nicht nett.«
    Sie streichelte ihn, das stimmte ihn freundlicher.
    »Ist nicht die Imagination unsere Rettung?« fragte sie. Er wunderte sich, zärtlich sorgend, woher eine, die soviel Richtiges getan und gewußt hatte, wohl diese fromme und auch ein bißchen ekelhafte Lüge haben mochte.
    Sie hörte wohl, daß er nicht antwortete. So sagte sie ihm etwas anderes: »Ich habe gebaut und gebaut und gebaut. Mit sechzehn Jahren habe ich angefangen. Ich sammle alles, was damit zu tun hat.«
4. Film
    Im Keller zeigte sie ihm, was sie meinte: »Zweite Generation. Das habe ich Iemelian damals geraten.«
    »Einem der ...«
    »Vorläufer deines Chefs, ja.«
    Die Projektion an der Wand zeigte Infektionsvektoren, nach Riesenpopulationen auf zusammenhängenden Landmassen aufgeschlüsselt. Nach einer Weile zerstob das Bild und machte einem Riesenmolekül Platz.
    »Immunität gegen alle natürlich vorkommenden Kleinstangreifer«, sagte Alexandra.
    Das Modell drehte sich, die kleinen Kügelchen (Dmitri erinnerte sich an die Gifte gegen die Hände der Menschen) pulsierten im Takt simpler Musik, und die Comtesse erklärte: »Das Konzept war robust, uns vorgegeben von der Naturgeschichte: zwei Helixbänder aus Zucker und Phosphat, verbunden mittels Basenpaaren, in deren Vierbuchstabenalphabet die gesamte genetische Information verschlüsselt ist. Zweite Generation, das hieß: Man hat andere Basen eingefügt, ein ganzes Genom. Ein neues Phylum war geboren. Der Code blieb derselbe, das Alphabet war ein anderes.«
    »Ein Schritt übers Anagramm hinaus.«
    »Genau. Ein Meta-Anagramm oder ... Kata-Anagramm: nach unten ausweichen. Daher hat das tamerlanische Monstrum im Süden wohl auch sein Namenspräfix, Katahomen: Es ist eine Abspaltung der zweiten Generation, eine Erweiterung des Prinzips ins Silizium- und Keramikleben hinein. Erst die DNA, dann die neuen Ribosomen ...«
    »Und der Stoffwechsel?«
    »Standard. Dieselben Proteine wie alles, was die Evolution vorher zusammengebastelt hat. Neunzig Prozent von allem blieben gleich, aber der resultierende multizelluläre Organismus war sofort immun gegen sämtliche Viren, alle Perrhobakter. Die Dinger kommen zwar noch rein, aber ...«
    Der Wolf stellte sich kleine Roboter vor, die in seinen Schädel gelangten. Kaum sind sie drin, fällt hinter ihnen die Tür ins Schloß, das sie geknackt haben. Da sitzen sie dann in der leeren Kälte und verhungern.
    »Ähm, hilf mir nochmal. Zweite Generation, wie ging die erste?«
    »Weißt du überhaupt, was du mich da fragst?«
    »Na ja, ich frag dich ... nach der biotischen Beschaffenheit der Befreiung. Was die eigentlich war.«
    »Genau.« Die Comtesse bewegte ihre rechte Flügelspitze und machte dazu ein strenges Gesicht: Das sind böse Geschichten, darüber rede ich nicht gern.
    Dmitri nahm sich vor, einmal den Löwen zu fragen.
    Kaum hatte er den Vorsatz gefaßt, wurde ihm schmerzlich klar, daß er, so wohl er sich hier fühlte, nicht bei Alexandra bleiben würde. Es war zu schön hier, und wenn er sie fragte, in Andeutungen oder direkt, ob sie ihn bei sich behalten sollte, dann schwieg sie mit tausend Sätzen, dreitausend Ausreden. Von Schmerz verstand sie lieb zu raunen; davon, daß, wer Leidenschaft sagte, auch von Leiden reden mußte, und anderes trauriges, verkehrtes Zeug aus dem Fundus muffiger Selbstbestrafungswahnideen der Langeweile. Er gehörte also wohl doch nicht hierher, in dieses Denkmal, ins Glück der Abgeschiedenheit. Was Dmitri nicht verstand: Sie liebte ihn, aber daran mußte er glauben, das ließ sie ihn nicht wissen. Als ob Glück etwas Schlechtes wäre und unerfülltes Sehnsucht ein stärkeres Argument als erotische Großzügigkeit, die sie ihm doch anfangs geschenkt hatte, ein stolzes und freies Geschöpf.
    Die Sonne wurde blasser, mehrdeutige Winde kamen auf.
    Der Wolf war ein politisches Tier und würde ihr ab jetzt deshalb im Gegenzug ebensogut verbergen, was er fühlte.
5. Form, forms and renewal, gods held in the air
    »Siehst du sie? Siehst du, was sie mit der Zeit macht?«
    Der Wolf schaute hin und hatte das erste Mal das Gefühl, er sähe sich selbst beim Schauen zu, so wie man, bei großer Übermüdung etwa, manchmal sich selbst beim Reden zuhört.
    Die Comtesse hatte im Auditorium Maximum Vorrichtungen aufgestellt, mit denen man uralte Filme abspielen konnte. Was der Wolf sah, war ein Mädchen, das den rechteckigen Bildrahmen diagonal

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