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Die Abschaffung der Arten

Die Abschaffung der Arten

Titel: Die Abschaffung der Arten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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betrat und zielstrebig durchquerte. Die junge Frau verschwand hinter einer Sanddüne im Vordergrund, am Rand des gezeigten Ausschnitts. Die Kamera setzte für einen kaum merklichen Moment aus. Dann ging das Mädchen in größerer Ferne vorüber und steuerte einen Ort hinter einem weit hinten liegenden Sandhügel an.
    Die Kamera drehte sich, in einer das gesamte Panorama erfassenden Bewegung, in die Richtung, in der das Mädchen soeben den Bildausschnitt verlassen hatte. Da sie an exakt derselben Stelle weiterfilmte, an der sie eben ausgesetzt hatte, gab es keine räumlichen Anzeige der verstrichenen Zeit. Der Wolf erwartete (oder erwartete von sich, zu erwarten: seltsame Dopplung) zunächst, das Mädchen hinter der Düne hervorkommen zu sehen, hinter der es sich eben verborgen hatte. Statt dessen aber trat es nun hinter der weit entfernt liegenden Düne ins Freie. Entfremdung des Sehens von seinem Gegenstand, Überschreitung des im Kopf zurechtgelegten Zeitmaßes und diese Dopplung: Dmitri glaubte, als das Bild verschwand und das Licht anging, daß von ihm erwartet wurde, er solle sich dazu äußern.
    Zögerlich setzte er an: »Ein ähm Sprung, eine ... wie anagrammatische ...«
    Aber Alexandra Élodie legte ihm eine Flügelspitze auf die Lippen: »Schh. Nur gucken. Sonst tust du ihr noch mal an, was ihr zu Lebzeiten angetan wurde«
    Dmitri wußte nicht, wer die Person war, auf die sich das bezog.
    »Sie ist an ihrer Wut gestorben«, sagte Alexandra, »weil man sie nicht arbeiten lassen wollte.«
    Das Licht ging wieder aus. Der Film begann von neuem.
6. Bright void, without image, Napishtim
    Sie zeigte ihm ein letztes Mal ihre Gärten, als die schon dunkler wurden.
    Das war bereits der Krieg: »Am Anfang setzt es immer diese plumpen Faustschläge«; seufzte sie, es klang fast peinlich berührt, »da werden die Ernten behext, da wird das Wetter zerstört. Lustig, solche Worte wieder zu sagen. Hab mich damals immer gefragt, wie das möglich ist, wie strikt reserviert überhaupt Wörter sind, jedes will nur da hin, wo es hinzugehören glaubt. Man sagt zum Beispiel, die Stadt sei zerstört worden und man habe die Einwohner ermordet, aber man käme sich komisch vor, zu sagen, die Einwohner seien zerstört worden und die Stadt habe man ermordet. Inferenzen von ... ach, was soll's.«
    Ein paar Stunden später hatten sich die geschwärzten Blätter erholt, am nächsten Morgen standen sie erneut im Saft. »Es gibt ja nichts, womit wir nicht fertigwürden, genügend Zeit vorausgesetzt. Der Keramikspinner, oder die Keramikspinnerin, wenn sie's denn unbedingt so will« – ein Kolloratürchen kam in dem »will« vor, die Schwänin konnte immer sehr schön singen –, »schickt ihre Virengeschwader und doch ... diese Feindin weiß, daß wir so etwas kleinkriegen. Es ist kein ernsthafter Angriff, nur eine Drohung. Eröffnung der Kampfhandlungen auf symbolischer Ebene. Dieselbe Choreographie wie in der Langeweile.«
    »Du wirst dich überrennen lassen? Warum, aus Pazifismus?« Der Wolf bleckte die Zähne. Sie lachte gutmütig. »Ich geh nicht mit dir zurück in dein trauriges Resteuropa, vergiß es. Die Festung, die der Löwe baut, ist mir zu eng. Ich habe mein Leben gefunden, hier.«
7. Taufe
    Am vorletzten Tag seines Aufenthalts weckte sie ihn nachmittags aus seiner Siesta und stand vor ihm in nachtschwarzem Gefieder.
    Trauer, dachte er – da kann ich dem König immerhin erzählen, daß sie den Ernst der Lage versteht.
    Aber dann sah er, daß in der Schwärze Sterne blinkten wie flunkernder Straß.
    »Du kannst es nicht lassen, was? Melodrama. Fliegende Katzen.« Er leckte ihr die Hand, und beide wußten, daß er sie unbeschreiblich arg mochte; ganz davon abgesehen, daß er sie ja liebte.
    »Du bist unverbesserlich«, sagte Dmitri. »Nichts ist unverbesserlich«, sagte die Schwanfrau.

    Sie führte ihn zum letzten Mal, mit kleinen Gesten, zwischen die Gewächshäuser, ins heimliche Grün und Rosengold. Als sie anschließend baden gingen, ertappte er sich dabei, daß er das erste Mal seit langer Zeit an Lynxchen dachte, an Clea, Lasara.
    Alexandra bespritzte ihn mit Wasser und sagte: »Wir könnten natürlich noch schnell heiraten, bevor du abreist. Nicht weit von hier gibt's eine Art Isottatempel, bißchen schäbig, aber ... ich habe so viel für die Suche nach dem Wetzelchen gespendet, daß die Habichte mir zu größtem Dank verpflichtet sind.«
    Das gab's hier alles auch?
    Er schnaubte, prustete, schüttelte sich.

    Nach dem

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