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Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition)

Titel: Die Abschaffung des Zufalls: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick McGuinness
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Gin ein, fügte ein symbolisches Quentchen Tonic hinzu, ging zum Kühlschrank und warf ein paar Eiswürfel ins Glas. Dann schlug er auf dem Sofa die Beine übereinander und sah mich an. Ich war am Zug.
    Leo trug eine flache, verschwitzte Kappe, die wie angeschraubt aussah und rote Furchen auf seiner Stirn hinterlassen hatte, und seine Haut erinnerte an mehrfach geflickten Asphalt. Seine Hose hatte die Farbe gefleckter Pilze, und obwohl seine Beine gleich lang zu sein schienen, konnte man dies von den Hosenbeinen nicht unbedingt behaupten. Sein Hemd war von dem streifigen Grau weißer Kleidungsstücke, die man jahrelang zusammen mit blauen Unterhosen gewaschen hat.
    Da ich noch nicht ganz wach war, fiel es mir schwer, mich zu sammeln. Aber das erwies sich ohnehin als überflüssig, denn bevor ich den Mund aufmachen konnte, beendete Leo seinen Drink und sprang auf.
    »Wir gehen essen.«
    Er stieß mich in den Flur. In der Wohnung klingelte das Telefon, aber Leo hatte die Tür schon geschlossen.
    »Willkommen im Paris des Ostens«, sagte er. Leo war der einzige Mensch in meinem Leben, der über dieselben Dinge sowohl ernst als auch sarkastisch reden konnte, und zwar gleichzeitig.
    Paris des Ostens … Das kam mir bekannt vor. Städte der zweiten Garnitur werden immer als das Irgendwas des Irgendwas bezeichnet. Nur war Bukarest auf seine Art einmalig; das war das große Problem dieser Stadt.

ZWEI
    Leo war angetrunken, aber das kümmerte hier niemanden, denn es herrschte Benzinmangel, und auf ein Auto aus der staatlichen Fabrik musste man sieben Jahre warten. Mit ihm am Steuer hatte ich das Gefühl, in einer Geisterstadt Autoskooter zu fahren, vor allem angesichts des CD-Schildes – Corps diplomatique –, das er auf dem Schwarzmarkt gekauft und am Heck seines Škodas befestigt hatte. Die Kräne und Bagger, die das Straßenbild Bukarests prägten, verliehen der Stadt die Atmosphäre eines menschenleeren Rummelplatzes. Manche arbeiteten noch einsam vor sich hin, mit halber Kraft und der Hälfte des üblichen Personals wuchteten sie die Schatten der Arbeiter zum rauchigen Mond hinauf.
    Die Bürgersteige wirkten wie leer gefegt, aber in den Schatten wimmelte es von Miliz in grauer Uniform. Man sah sie erst, wenn die Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten; dann nahmen sie Glied um Glied Gestalt an, schälten sich aus dem Zwielicht, in dem sie hausten. Im alten Bukarest hatte man verwahrloste Pariser Arrondissements mit den Vororten Istanbuls gekreuzt; Osten und Westen führten einen immerwährenden architektonischen Tanz auf. Pflanzen hingen von Balkonen, auf denen Leute im Dunkeln saßen, beleuchtet vom Blau ihrer Fernseher. Kerzen flackerten in den Fenstern orthodoxer Kirchen. Schichtarbeiter standen dicht gedrängt an Biertresen, tranken wortlos mit gesenktem Blick.
    Leos Auto raste auf einen weiten, leeren Platz wie ein kleines Fischerboot, das mit Volldampf in die offene See vorstößt: die Piaţa Republica, auf der sich der Palast von Königin Marie und die Parteizentrale gegenüberstanden, getrennt durch eine große, gepflasterte Kreuzung. Ich sah den Lichtschein im Norden, wo 24 Stunden täglich am Palast des Volkes und am Boulevard des sozialistischen Sieges gearbeitet wurde. Ganz in der Nähe ragte ein hohes Gebäude empor, ein Wolkenkratzer in dieser kümmerlichen Skyline, vor dem schwarze Dacias und westliche Autos parkten. Portiers wuselten vor den Drehtüren.
    Leo hatte während der ganzen Fahrt geschwiegen, aber die Aussicht auf einen neuen Drink löste seine Zunge.
    »Das Hotel InterContinental«, sagte er, »hier ist die Madonna-Disco und der Tummelplatz der jeunesse dorée der Partei.« Ein dröhnender Bass war zu hören, der anschwoll und wieder verebbte, als eine Kellertür sich öffnete und schloss.
    Ein roter Porsche raste über den Platz und bremste abrupt vor dem Nachtclub. Im Schein der Straßenlaternen leuchtete sein Nummernschild auf: NIC1. Ein Mann in einem weißen Anzug und einem glänzend blauen Hemd stieg aus und wurde untertänigst in die Lobby des Hotels geleitet, gefolgt von zwei mageren Mädchen in silberfarbenen Miniröcken, die so hohe Absätze trugen, dass jeder ihrer Schritte ein wankender Kampf gegen die Schwerkraft war.
    Leo zog eine Grimasse: »Nicu. Der Playboy-Prinz. Ceaușescus Sohn und designierter Nachfolger.«
    Das Capsia, ein dreistöckiges Gebäude im französischen Stil an der Ecke Calea Victoriei und Strada Edgar Quinet, schien direkt aus dem Paris des Fin de Siècle

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