Die Achte Fanfare
bekam.
»Sie haben hier ja ein ganz schönes Plätzchen, Jared.«
»Sie hätten Ihren Fahrer mitbringen sollen.«
»Ich hatte Angst, Sie würden ihn umbringen.«
»Statt dessen habe ich ihn gefesselt. Keine Angst, er hat's ganz bequem.«
Kamanskis Mund klaffte auf.
»Der gleiche Freund hat mir ein hochempfindliches Warnsystem eingerichtet. Als ihr anhieltet, wartete ich schon im Unterholz. Sie werden alt, Hermes.«
»Ich war niemals auf Außeneinsätzen.«
»Aber Sie haben sich früher bessere Leute ausgesucht. Der Junge im Wagen mag ja seinen Collegeabschluß und einen Haarschnitt für vierzig Dollar haben, doch meine Rückendeckung würde ich ihm nicht anvertrauen.«
»Die Zeiten haben sich geändert.«
»Wenn das wahr wäre, David, wären Sie nicht hier.«
Kimberlain trat noch ein paar Schritte aus dem Schatten zu dem seltsam geformten holographischen Videorecorder und ließ die Kassette auswerfen. Ein paar Lichtstrahlen fielen durch die teilweise geöffneten Schlagläden der Hütte auf sein Gesicht. Es war dasselbe Gesicht wie das, als sie sich zum letzten Mal begegnet waren, überlegte Kamanski, und es unterschied sich noch nicht einmal von dem, was er zum ersten Mal in jener Zelle gesehen hatte. Ein angenehmes Gesicht, das irgendwie zu weich war für den Mann, dem es gehörte, zu fein geschnitten. Perfekt geformte Augenbrauen. Darunter dunkle, schwere Lider. Keine einzige Falte auf den Brauen oder den Augensäcken. Sein Haar war so dicht wie eh und je, was Kamanski mit Neid erfüllte. Und die Augen. Oh, diese Augen. Kristallblau und durchdringend, schärfer als jedes Messer. Sie paßten überhaupt nicht in dieses Gesicht, waren jedoch das einzige Merkmal in diesem Antlitz, das zu dem Mann paßte.
Kimberlain legte die Wayne-Kassette in seine umfangreiche Videothek zurück.
»Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie so ein großer Filmfan sind«, sagte Kamanski und trat näher, um einen Blick auf die Titel zu werfen. Die Videosammlung war erstaunlich vielfältig: von Capra bis Hitchcock, von Wayne über Ladd und Eastwood bis hin zur Mad-Max-Serie. Und auch James Bond.
»Ich brauche Sie, Jared«, sagte Kamanski plötzlich und drehte sich um, so daß der Fährmann ihn ansehen mußte.
»Das hab' ich schon mal gehört«, sagte Kimberlain gleichgültig. »Vor etwa drei Jahren, nicht wahr? Kaum zwei Jahre, nachdem ich die Caretaker verlassen hatte.«
»Sonntagabend wurde jemand ermordet. Ein Industrieller namens Jordan Lime.«
»Und jetzt haben wir Dienstagmorgen, und Sie haben den Mörder noch nicht gefunden. Sie lassen nach, Hermes.«
»Lime war milliardenschwer«, fuhr Kamanski fort. »Er hatte die beste Sicherheitsfirma engagiert, die man für Geld anheuern kann, und seinen Landsitz mit Geräten verkabelt, die selbst Ihren Freund hier in Erstaunen versetzen würden.« Er hielt inne. »Er wurde buchstäblich zerrissen, hinter verschlossenen Fenstern und Türen verstümmelt. Nichts deutet darauf hin, daß jemand den Raum betreten hat. Der erste Mann betrat das Zimmer knapp eine Minute nach dem ersten Schrei und fand … Wir haben Videoaufzeichnungen. Wir haben Tonbänder. Es waren über zwanzig Wachen auf dem Gelände. Niemand konnte hinein oder hinaus. Was geschah, war ein Ding der Unmöglichkeit.«
Kimberlains Augen blinzelten zum ersten Mal. »Wenn meine literarische Bildung mich nicht ganz im Stich läßt, sollten Sie nach einem Gorilla direkt aus der Rue Morgue suchen.«
»Ein Gorilla wäre von 20.000 Volt gebraten worden, hätte er versucht, diesen Kamin hinabzukommen, Jared. Meine Männer arbeiten seit sechsunddreißig Stunden daran. Ununterbrochen. Die Polizei auch. Wir sind noch kein Stück weiter als am Anfang.«
»Wir?«
»Pro-Tech, die Sicherheitsfirma, für die ich jetzt arbeite. Lime hat uns engagiert, ihn am Leben zu halten.«
»Dann ist jetzt wohl nicht der günstigste Zeitpunkt, um nach neuen Klienten Ausschau zu halten. Was ist mit dem Bureau passiert?«
»Ich dachte, es sei an der Zeit, meine Zelte anderswo aufzuschlagen.«
»Haben Sie Ihre Drei-Jahres-Regel auch auf sich selbst angewandt? Ich bin beeindruckt.«
»Ich fürchte, das Bureau war ganz davon angetan.«
»Das überrascht mich nicht.«
»Aber nun stehen mir auch mehr Mittel zur Verfügung. Viel mehr. Und ich habe die Befugnis, Ihnen jede gewünschte Summe zu bezahlen, wenn Sie uns helfen.«
Kimberlain ignorierte ihn und ging zu einer anderen Wand des Wohnzimmers. Dort hingen zahlreiche Waffen, die von einem
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