Die Achte Fanfare
Gegenwart.«
»Nein, es betrifft die Vergangenheit, und die meine existiert nicht mehr.«
»Verdammt, Jared, ich brauche Sie!« Zeus schrie wie ein ungezogenes Kind.
»Tja, Zeus, was ist das für ein Gefühl?«
DIE ZWEITE FANFARE
WINSTON PEET Dienstag, 17. November, 20 Uhr
4
»Kommt schon! Bewegt euch, meine Damen. Auf geht's!«
Die Frauen wurden zu dem Kastenwagen getrieben wie Vieh zum Schlachthaus. Es waren insgesamt sechs, vier davon einigermaßen attraktiv, eine angenehm natürlich, und die letzte war eine Blondine mit stämmigem Körperbau und einem im Verhältnis dazu viel zu kleinen Kopf. Zu dieser abendlichen Stunde wimmelte es auf den Straßen von Nizza nicht gerade vor Prostituierten, und bei denen, die zur Verfügung standen, war es durchaus wahrscheinlich, daß sie abgesehen von dem Lohn für ihre Dienste noch den einen oder anderen silbernen Löffel mitgehen ließen.
»Hier entlang, meine Damen. Mir nach«, fuhr der große, bärtige Wachposten mit armseligem Französisch fort. Er führte sie zu dem doppeltürigen Eingang des umgebauten Hotels. Seine Abgeschiedenheit und die verstärkte äußere Steinmauer kam den derzeitigen Bewohnern sehr gelegen. Bevor das Gebäude zum Hotel umfunktioniert worden war, war es die Sommerresidenz eines französischen Adligen gewesen. Es war vor Jahrhunderten von einem berühmten Franzosen erbaut worden, der sich seinen Lebensunterhalt überaus erfolgreich als Pirat verdient hatte.
Die Gesichter der Nutten strahlten, als sie durch den Eingang in das steinerne Foyer traten. Der große Wächter drückte einen eisenharten Finger gegen die Brust der stämmigen Blondine.
»Sieh dich ruhig um, aber rühr' nichts an, du Schlampe.«
Sie verfluchte ihn auf Französisch und tat so, als würde sie ausspucken.
Der Wächter lachte herzlich. »Die Treppe hinauf, meine Damen. Wenn ihr eins der Bilder anfaßt, schneide ich euch die Finger ab.«
Er führte sie auf die dritte Etage hinauf, wo ein nach rechts abbiegender Gang am Kopf der Treppe zu sechs Türen führte, drei auf jeder Seite, alle im gleichen Abstand voneinander.
»Eine Stunde mit jedem Mann«, war die nächste Anweisung des Wächters. »Wir müssen einen genauen Zeitplan einhalten. Die nächste Schicht wird an die Tür klopfen, wenn es soweit ist.« Dann, mit einem taktlosen Blinzeln: »Seht zu, daß bis dahin alle klargekommen sind.«
Die Nutten kicherten.
Der Wachposten wies sie den einzelnen Türen zu, und die Blondine ging zur mittleren auf der linken Seite. Sie schloß die Tür hinter sich, und ihr Blick fiel auf einen schlanken, knabenhaften Jüngling, der bis zur Hüfte nackt auf dem Bett lag.
»Na, wen haben wir denn da«, sagte er und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Du hast aber ordentlich was zu bieten, oder?«
Er will sich Mut machen, dachte die Blondine. Der Junge konnte höchstens sechzehn, vielleicht siebzehn Jahre alt sein.
»Das würdest du gern rausfinden, was?« neckte sie ihn, doch ihr Blick wanderte zu der Tätowierung auf seiner rechten Schulter: ein lächelnder Totenkopf mit einem Speer, der durch beide Schläfen gebohrt war.
Der Junge fummelte an seinem Reißverschluß, doch die Blondine war schnell über ihm und drückte ihn mit ihrem Gewicht auf das Bett, während sich ihr Mund auf den seinen senkte.
Der Junge stöhnte auf und umarmte sie kräftig.
Die Blondine erwiderte die Umarmung kurz, ließ ihre Hände dann zu seinem Kinn gleiten und umfaßte es. Der Junge sah ihre Augen nicht. Hätte er sie gesehen, hätte er sich vielleicht bewegt oder es zumindest versucht.
Die Blondine rammte beide Hände gegen sein Kinn und drückte seinen Kopf in einem unmöglichen Winkel zurück, während sie ihren Körper nach vorn warf, um der Bewegung den letzten nötigen Nachdruck zu verleihen.
Der Kopf des Jungen schnappte zurück und erschlaffte. Sein Körper bäumte sich auf und fiel leblos hinab; seine Zehen zuckten noch einen Augenblick, dann lag er still da.
Die Hure sprang flink wie eine Katze aus dem Bett und zog sich das Kleid über den Kopf. Auf ihrem Körper hatte sie so geschickt kleine Päckchen mit Sprengstoff angeklebt, daß man bei einer Leibesvisitation lediglich ganz normale Rundungen festgestellt hätte.
Zweiundzwanzig Minuten später hatte sie den Plastiksprengstoff zu einzelnen Blöcken zusammengefügt und die Zünder angebracht. Bei den Granaten, die sie aus einem Geheimfach ihrer Handtasche zog, handelte es sich um sowjetische Modelle, die sie an
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