Die Achte Fanfare
schleppen. Peet zog noch fester, bis Quail endlich auf die Knie sank und sich ein schreckliches, gurgelndes Geräusch aus den Tiefen seiner Kehle löste. Peet fühlte, daß das Ende nahe war, spürte, wie sein größter Rivale erschlaffte, fühlte, wie er starb, und beugte sich etwas vor, um das Ende zu beschleunigen.
Doch mit dieser Bewegung fuhr wieder Leben in Quail. Der Holländer gab die Täuschung auf, griff hinter sich, faßte Peet, der nur unsicher auf den Beinen stand, an seinem bauschigen Clownshemd und hob den kahlköpfigen Riesen schier mühelos in die Luft. Peet flog über die Mauer hinweg, und sein Schwung trug ihn über das Gerüst hinaus zu einem 86 Stockwerk tiefen Sturz. Es erfolgte kein Schrei, kein Geräusch. Er verschwand einfach in dem klaffenden Abgrund.
Quail zerrte die Schnur von seinem Hals und nahm den Zünder aus der Tasche seines Elfenkostüms, während weit unter ihm seine ahnungslosen Opfer der vorbeiziehenden Parade applaudierten.
Es war 10 Uhr 55, und Ollies Motor war immer noch nicht angesprungen. Bei nur noch acht Minuten bis zur Explosion wußte Kimberlain, daß er es kaum noch schaffen würde, die Lok zu starten, die Waggons in den Tunnel zu fahren und noch rechtzeitig wieder herauszukommen. Er mußte nicht einmal einen Kilometer zurücklegen, doch …
Ollie spuckte eine fette schwarze Rauchwolke aus seinem Schornstein, und der Motor stotterte.
»Komm schon!« drängte Kimberlain. »Komm schon!«
Und Ollie erwachte mit dem gleichen Enthusiasmus, den der Fährmann festgestellt hatte, als er die Lok zum ersten Mal angefahren hatte, zu neuem Leben. Sie schob langsam gegen die lange Reihe der liegengebliebenen U-Bahn-Waggons an und gewann allmählich an Geschwindigkeit. Kimberlain schaltete höher, um zusätzlichen Schub zu gewinnen.
Als er die Biegung an der Fulton Street genommen hatte, blieben ihm noch sechs Minuten, und weniger als vier, als er, immer noch beschleunigend, durch den Bahnhof Wall Street brauste. Die Tachometernadel zeigte zwanzig Stundenkilometer an, und er konnte so viel Gas geben und schalten, wie er wollte, Ollie würde nicht schneller fahren, nicht bei der gewaltigen Last, die er anschieben mußte. In ein paar Sekunden würden die Waggons am Kopf des Konvois in den East-River-Tunnel einfahren, doch die, in denen der Sprengstoff versteckt war, befanden sich ja direkt vor der Lokomotive.
Der Fährmann rechnete aus, daß er es gerade noch schaffen konnte, die Waggons in den Tunnel zu fahren, ihm jedoch keine Zeit zur Flucht mehr blieb. Wenn das die einzige Möglichkeit war, dann sollte es eben so sein. Er tätschelte fast zärtlich Ollies Armaturenbrett. Die Lokomotive schien unter der unglaublichen Last, die sie schieben mußte, zu pulsieren, und selbst bei dieser niedrigen Geschwindigkeit lag die Nadel des Luftdruckmessers ununterbrochen im roten Bereich.
Kimberlain achtete nicht darauf und jagte dem sicheren Tod im Tunnel entgegen.
Quail stand wie erstarrt auf der Promenade; wie lange, konnte er nicht sagen. Er mußte sich den Anblick einprägen, durfte ihn niemals vergessen. Er würde nie wieder eine zweite Gelegenheit bekommen, und er mußte den Augenblick auskosten, ihn ausdehnen. All diese Menschen würden seine Opfer sein. Ihre Schreie würden ihm mehr neues Leben geben, als er jemals gehabt hatte. Quail nahm die Szene ein letztes Mal in sich auf, und auf seine verstümmelten Lippen legte sich der Anflug eines Lächelns.
Er hob den Zünder zärtlich hoch, senkte die Hand auf den Knopf …
Und ein gewaltiger Schatten warf sich über die Mauer und traf den Holländer mit solcher Wucht, daß ihm die Luft aus den Lungen gezwungen wurde.
Am Ende war es das Gerüst, das Peet das Leben rettete. Als er stürzte, gelang es ihm, die Arme auszustrecken und nach irgend etwas zu greifen. Die Schnur der Säge hatte sich um einen Balken gewickelt, was seinen Sturz so weit gebremst hatte, daß er das Gerüst zu fassen bekam. Doch jetzt mußte er noch über ein Stockwerk hinaufklettern, um wieder zu Quail zu gelangen. Direkt unterhalb der niedrigen Begrenzungsmauer fand er die Kraft, sich mit den Armen abzustoßen und mit den Füßen zuerst über das Geländer zu fliegen.
Als er auf Quail prallte, flog der schwarze Kasten, der den millionenfachen Tod verhieß, aus Quails Hand über das Geländer und auf das Gerüst. Peets Schwung trug ihn an dem Holländer vorbei, und Quail schüttelte sich und sprang über die Mauer, dem Zünder entgegen.
Dabei splitterte
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