Die achte Offenbarung
Ein Laptop befand sich darauf, nicht das neueste Modell, ein altmodisches Telefon mit schnurgebundenem Hörer, ein Becher mit Stiften, ein Foto von Jenny, sieben Jahre alt, in einem angelaufenen Silberrahmen. Mittlerweile war seine Tochter schon fast in der Pubertät, aber er hatte sich nicht überwinden können, das Foto auszutauschen. Es war in glücklichen Tagen gemacht worden, kurz bevor seine Ehe mit Gwyn zerbrochen war.
Er seufzte. Weiß Gott kein Einzelfall – Ehen waren heutzutage nicht mehr für die Ewigkeit gemacht. Trotzdem nahm er es Gwyn immer noch übel. Weniger, weil sie ihn betrogen hatte, sondern vor allem, weil er ihr zuliebe seinen Job als Profiler beim FBI gekündigt hatte und nach Washington gezogen war, um in der Abteilung für Innere Angelegenheiten innerhalb des Office of Intelligence and Analysis im Heimatschutzministerium zu arbeiten. Damals, kurz nach dem 11. September, war ihm das neu gegründete Ministerium wie eine zukunftsträchtige Institution vorgekommen. Dort könne er mit seinen Talenten Karriere machen, war auch Gwyn überzeugt gewesen, die damals als Sekretärin eines Kongressabgeordneten arbeitete. Doch er war in einer Sackgasse gelandet.
Der Grund war im Nachhinein offensichtlich: Er hatte keine Erfolge erzielt, weil es keine zu erzielen gab. Also hatte es auch nie einen Grund gegeben, ihn zu befördern.
Seine Aufgabe war es, gravierende Verstöße gegen die Sicherheitsregeln durch Mitarbeiter des Heimatschutzministeriums aufzuspüren. Bei der Gründung des Ministeriums hatte man befürchtet, dass die Behörde, deren Hauptaufgabe die Terrorabwehr war, von terroristischen Organisationen unterwandert werden könnte. Ein Maulwurf in den eigenen Reihen, der Terroristen wichtige Informationen lieferte und die Aufdeckung eines Terroranschlags verhinderte, war eine Horrorvision für die Verantwortlichen. Doch Al-Quaida war nicht der KGB. Die Islamisten hatten offenbar weder die Fähigkeit noch den Wunsch, amerikanische Behörden zu infiltrieren.
Die wenigen gravierenden Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften, die es trotzdem gab, wurden meist rasch aufgeklärt, bevor Eddie mit seinen beim FBI erlernten Fahndungstricks einen echten Beitrag dazu leisten konnte. Sein größter Erfolg war es gewesen, einen Mitarbeiter zu überführen, der einen Reporter eines linksgerichteten Magazins mit relativ harmlosen Insiderinformationen versorgt hatte. Das war inzwischen fünf Jahre her.
Eddies ganze Abteilung war im Grunde überflüssig, und alle wussten es. Doch es war zu spät für ihn, um sich woandershin versetzen zu lassen. Das FBI wollte ihn nicht mehr, für andere Behörden hatte er wenig zu bieten. Hinzu kam, dass die Abteilung für Innere Angelegenheiten die unbeliebteste des ganzen Ministeriums war. »Nestbeschmutzer« wurden sie hinter vorgehaltener Hand genannt.
Er sah auf die Uhr. Zeit, seinem Chef Bericht zu erstatten.
Bob Collins empfing ihn in seinem Büro, von dem aus man auf eine belebte Straße blicken konnte. Wie immer setzte er ein strahlendes Lächeln auf, als gäbe es nichtsSchöneres, als für das Heimatschutzministerium zu arbeiten. Eddie vermutete, dass er das auf irgendeinem Training für Mitarbeitermotivation gelernt hatte. Es funktionierte kein bisschen.
»Hallo, Eddie! Wie war’s in der Hexenküche? Hast du den Übeltäter schon identifiziert?«
Die Art, wie er das sagte, zeigte deutlich, dass er die ganze Sache für Zeitverschwendung hielt. Aber die Sache war von weiter oben gekommen, von Jason Butler, dem Direktor des OIA selbst, wie es hieß.
Der Auftrag, einer Ungereimtheit im Hochsicherheitslabor in Fort Fredrick nachzugehen, hatte Eddie überrascht. Das Labor wurde vom Militär betrieben, unterstand also nicht direkt der Heimatschutzbehörde. Allerdings hatte seine Organisation ein Weisungs- und Informationsrecht, da das Labor kritische Aufgaben bei der Abwehr von Bioterrorismus wahrnahm. Mit anderen Worten: Die Zuständigkeiten waren nicht klar geregelt, was ein permanentes Hickhack zwischen dem Verteidigungs- und dem Heimatschutzministerium zur Folge hatte. Bob hatte sicher eine Menge Telefonate führen müssen, bevor er für Eddie die Zugangsberechtigung für Fort Fredrick erwirkt hatte.
Wie immer ging Eddie nicht auf Bobs Plauderton ein, sondern blieb bei den Fakten. »Es ist unklar, ob tatsächlich eine Verletzung der Sicherheitsvorschriften vorliegt. Möglicherweise geht der Vorfall auf einen simplen Irrtum bei der Erfassung der Proben
Weitere Kostenlose Bücher