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Die achte Offenbarung

Die achte Offenbarung

Titel: Die achte Offenbarung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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viele.«
    »Und du nicht?«
    Paulus machte sich auf eine weitere Räuberpistole gefasst, doch Mele antwortete ganz sachlich: »Natürlich nicht. Die Knochen, die man darin gefunden hat, stammen von einem Kind, einem Jugendlichen und einem alten Mann. Im Mittelalter hat man alle möglichen Knochen als Reliquien ausgegeben. Ob es die Heiligen Könige überhaupt jemals gegeben hat, und wenn, ob es drei waren und Könige, ist höchst umstritten.«
    »Du weißt ja doch eine Menge über den Kölner Dom«, sagte Paulus anerkennend.
    »Natürlich. Schließlich bin ich Touristenführerin!«
    »Aber warum erzählst du den Leuten dann so einen Quatsch über den Dombaumeister, der von den ›alten Türmen‹ gestürzt wurde, die dann auch noch von Napoleon gesprengt wurden?«
    »Weil die Wahrheit manchmal einfach langweilig ist.« Sie grinste, und ihr Gesicht schien von innerer Begeisterung zu leuchten. »Und weil solche Geschichten ein besseres Trinkgeld bringen. Wenn die Touristen sich amüsieren, sind sie spendabler. So einfach ist das.«
    »Findest du das nicht … unmoralisch?«
    »Wieso? Was macht es denn für einen Unterschied, ob irgendein Koreaner glaubt, Napoleon hätte die Türme des Kölner Doms gesprengt? Schlimmstenfalls blamiert er sich damit in irgendeiner koreanischen Quizshow.«
    »Die Wahrheit ist nicht langweilig«, widersprach Paulus. »Jedenfalls nicht immer.«
    »Was willst du jetzt machen?«
    »Ich werde versuchen, den Rest des Manuskripts zu entschlüsseln. Vielleicht finde ich darin Hinweise darauf, wer es unbedingt haben will und warum. Dann haben wir eine Spur zu dem Araber und können der Polizei helfen, ihn zu schnappen. Ich kann mich ja schließlich nicht ewig vor ihm verstecken.«
    »Mhm«, machte Mele nur.
    Sie aßen schweigend ihre Döner.
    »Dirk schien nicht begeistert zu sein, dass ich bei euch übernachte«, sagte Paulus nach einer Weile.
    »Ach der«, erwiderte Mele. »Den darfst du nicht so ernst nehmen. Er ist eigentlich ganz süß, aber ziemlich anstrengend.«
    »Er hat sich dir gegenüber ein bisschen seltsam verhalten, findest du nicht? Ich meine, du bist doch seine Mitbewohnerin, wenn auch nur vorübergehend. Wie kommt er dazu, dir Vorschriften zu machen, wen du mit nach Hause bringen darfst?«
    Mele zuckte mit den Schultern. »Er denkt, er hat Besitzansprüche, bloß weil ich ein paar Mal mit ihm geschlafen habe.«
    »Ihr seid ein Paar?«
    »Nein. Er ist in mich verliebt, aber ich nicht in ihn. Er schreibt mir immer schmalzige Liebesgedichte und führt sich auf wie ein eifersüchtiger Ehemann. Das darf man nicht so ernst nehmen.«
    Paulus wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Dirk tat ihm beinahe leid. Er konnte verstehen, dass der Student von seiner attraktiven Mitbewohnerin fasziniert war. Aber Mele schien nicht zu einer ernsthaften Beziehung fähig zu sein. Sie wirkte wie ein Kind, das gern mit einem neuen Spielzeug spielt, aber rasch das Interesse daran verliert. Sie schien nichts wirklich ernst zu nehmen.
    Sie beendeten ihr Mittagessen und kehrten in die Wohnung zurück. Paulus setzte sich an den Esstisch im Wohnzimmer und breitete seine Aufzeichnungen aus. Dann begann er, aufs Geratewohl Wörter, die er im Dom aufgeschrieben hatte, als Schlüssel einzusetzen. Ohne Computer und die geeignete Software war das eine mühselige Angelegenheit, aber es war immerhin einen Versuch wert. Als Erstes probierte er es mit »sanctus«, dem lateinischen Wort für »heilig«.
    Das Resultat lautete: HYO JVELCK VM.
    Er probierte die lateinischen Wörter für »König«, »Gott«, »Jesus«, »Maria« und »Engel«, dann ihre frühneuhochdeutschen Entsprechungen. Schließlich wählte er wahllos Wörter aus, die er im Dom aufgezeichnet hatte, doch er bekam nur unsinnigen Buchstabensalat als Ergebnis.
    Während er arbeitete, hatte er das Gefühl, dass Dirk ihn beobachtete. Nicht, dass der Student ihn die ganze Zeit angestarrt hätte. Er ging nur auffällig oft durch die Wohnung, von seinem Zimmer ins Badezimmer, wieder zurück in sein Zimmer, in die Küche, ins Wohnzimmer, um ein Buch aus dem Regal zu holen, dann wieder in die Küche wie ein hyperaktives Kind nach acht Stunden Schule. Dabei warf er immer wieder Blicke in Paulus’ Richtung.
    Paulus versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihm der Student mit seinem albernen Getue auf dieNerven ging. Sollte er doch endlich sein Verhältnis zu Mele klären, anstatt hier wie ein aufgescheuchter Gockel herumzustolzieren. Wie sollte man

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