Die achte Offenbarung
»Mehrere?«, fragte der Beamte.
»Na klar. Der Typ hatte mindestens einen Komplizen. Der hat Paulus bis hierher verfolgt und dann seinem Kumpel Bescheid gesagt.«
»Und warum hat dieser Unbekannte Herrn Brenner dann nicht gleich in Hamburg bedroht?«
»Ist es nicht Ihr Job, das rauszukriegen?«
»Darf ich fragen, in welchem Verhältnis Sie beide zueinander stehen?«
»In gar keinem«, sagte Paulus. »Wir haben uns eben erst zufällig kennengelernt.«
»Aha«, sagte der Beamte. »Darf ich bitte auch Ihre Personalien haben?«
»Muss ich die angeben?«, fragte Mele.
Der Beamte zog die Stirn kraus. »Gibt es irgendeinen Grund, weshalb Sie Ihre Personalien nicht angeben möchten?«
»Muss ich oder muss ich nicht?«
Der Beamte seufzte. »Als unbeteiligte Zeugin einer Straftat haben Sie kein Zeugnisverweigerungsrecht. Ob hier in Köln tatsächlich eine Straftat begangen wurde, wissen wir noch nicht. Dennoch muss ich Sie bitten, mir Ihren Namen und Wohnsitz mitzuteilen.«
»Na schön. Mele Kallen, Bismarckstraße 37.«
Der Beamte tippte die Aussage in den Computer und druckte sie aus. »Wenn Sie beide hier bitte unterschreiben würden.«
»Was geschieht jetzt?«, fragte Paulus, nachdem er unterzeichnet hatte.
»Ich werde Ihre Angaben an die Kollegen in Hamburg weiterleiten. Die werden sich sicher noch einmal mit Ihnenin Verbindung setzen.« Es klang nicht so, als ob der Polizist tatsächlich daran glaubte.
»Wollen Sie nicht ein Phantombild anfertigen, eine Fahndung einleiten oder so?«
»Dafür sind nach der Sachlage die Voraussetzungen nicht gegeben. Bisher haben wir lediglich einen Wohnungseinbruch in Hamburg, sofern Ihre Angaben dazu stimmen. Es gibt keinen konkreten Anhaltspunkt dafür, dass die Person an Ihrer Haustür und der Mann auf der Domplatte identisch sind.«
»Aber ich habe ihn erkannt!«, protestierte Paulus.
»Sie haben ausgesagt, er war Araber und trug einen Vollbart. Da ist eine Verwechselung schnell passiert.«
»Und die Pistole? Wenn er es nicht war, wieso sollte er eine Pistole auf mich richten?«
»Aufgrund Ihrer Aussage können wir nicht klären, ob es tatsächlich eine Schusswaffe war und nicht bloß ein Imitat oder eine Schreckschusspistole. Immerhin war der Mann hundert Meter entfernt. Vielleicht wollte er Ihnen nur Angst einjagen. Möglicherweise handelt es sich dabei auch um unerlaubten Waffenbesitz. Aber ohne weitere Anhaltspunkte sehe ich keine Veranlassung, die Einsatzbereitschaft einzuschalten.«
»Kann ich nicht eine Strafanzeige aufgeben?«
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann haben Sie das in Zusammenhang mit Ihrem Wohnungseinbruch bereits getan. Sofern der angebliche Araber tatsächlich etwas damit zu tun hat, sind die Kollegen in Hamburg zuständig. Es tut mir leid, mehr kann ich in der Sache nicht tun. Ich empfehle Ihnen, das Buch in einem Bankschließfach aufzubewahren oder es einem wissenschaftlichen Institut zu übergeben, damit man den wahren Wert feststellen kann.«
Paulus sparte sich den Hinweis, dass er selbst Mitarbeiter eines solchen Instituts war. Mele hatte recht gehabt: Die Polizei würde ihm nicht weiterhelfen. Vermutlich hielt ihn der Beamte für paranoid. Paulus konnte es ihm nicht verübeln. Seine Geschichte klang einfach zu absurd.
»Am besten, du kommst erst mal mit zu mir«, sagte Mele, als sie das Polizeirevier verließen.
Er sah sie überrascht an. »Zu dir? Aber …«
»Die Bullen werden dich nicht beschützen, das hast du ja gerade gehört. Also solltest du vielleicht eine Weile von der Bildfläche verschwinden.«
»Das ist doch lächerlich!«
»Ach ja? Ich weiß ja nicht, wo du dieses sogenannte Familienerbstück wirklich her hast, aber die Typen, denen es gehört, werden nicht ruhen, bis sie es zurückhaben. Entweder gibst du es ihnen freiwillig, oder du sorgst dafür, dass sie dich nicht finden.«
»Das Buch gehört wirklich meiner Familie. Es wurde in den Dreißigerjahren aus Deutschland herausgeschmuggelt. Ein amerikanischer Jude, den meine Großmutter vor den Nazis gerettet hat, hat es mir zurückgegeben.«
»Ich glaube, an der Story musst du noch arbeiten.«
»Glaub mir oder nicht, das ist mir egal.«
»Also was ist jetzt, kommst du mit zu mir?«
»Ich will dich nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen.«
»Blödsinn! Die Typen wissen nicht, wer ich bin. Wie soll er dich bei mir aufspüren?«
Paulus zögerte. Er kannte Mele noch keine Stunde. Konnte er ihr trauen? Was, wenn sie es selbst auf das Manuskript
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