Die Achte Suende
Böses, als die Schreie der Signora dumpfer wurden, so als hätte man ihr ein Kissen über den Kopf gestülpt. Plötzlich wurde es still. Nach einer Weile riss einer der Begleiter die Tür auf, stieß mich beiseite und hastete die Treppen hinab, als sei der Teufel persönlich hinter ihm her. Aus dem Innern der Wohnung hörte ich die Worte: ›Don Anselmo, Don Anselmo! Sehen Sie nur!‹«
»Was hatte das zu bedeuten?«
»Das fragte ich mich damals auch. Es dauerte lange Minuten, bis mir klar wurde, was geschehen war. ›Sie ist tot!‹, rief der Begleiter des Exorzisten. ›Wir haben sie umgebracht!‹ – ›Unsinn‹, erwiderte Don Anselmo, ›es war der Dämon, der ihren sündigen Leib getötet hat.‹«
»Was geschah dann? Reden Sie weiter!«
Signora Fellini richtete sich auf und holte Luft. »Der junge Begleiter des Exorzisten bekam einen Weinkrampf. Er schrie und lamentierte und drohte, aus dem Fenster zu springen, und es dauerte mindestens zehn Minuten, bis er sich beruhigt hatte. Alles Weitere konnte ich nur ahnen, denn die beiden Männer redeten nur noch im Flüsterton. Ich hörte, wie die Badewanne eingelassen wurde. Danach schleifende Geräusche, als ob jemand gezogen würde. Der Rest ist bekannt.« Die Signora machte eine Pause.
»Und dann?«
»Sie können sich vorstellen, was in mir vorging. Ich war mit den Nerven am Ende. Ich musste damit rechnen, dass der Exorzist und sein Begleiter die Wohnung der Signora jeden Augenblick verlassen würden. Also ging ich in meine Wohnung.«
»Und dann? Was haben Sie getan?«
»Nichts. Zunächst jedenfalls.«
»Was heißt nichts. Sie müssen doch auf irgendeine Weise reagiert haben!«
»Ich war wie gelähmt, zu keinem klaren Gedanken fähig. Und dann dieser Mann, der mich gesehen hatte! Sie können sich das vielleicht nicht vorstellen, aber wenn Sie so etwas erlebt haben, setzt ihr Verstand aus. Erst abends wagte ich mich noch einmal hinauf und öffnete die Wohnung mit meinem Nachschlüssel. Da sah ich die Signora mit dem Kopf unter Wasser tot in der Badewanne. Auf dem Boden lag ihr himmelblauer Schlafrock. Ich machte auf dem Absatz kehrt und verschwand. Die Wohnungstür ließ ich offen stehen, damit das Verbrechen möglichst bald entdeckt würde. Es war der Postbote, der schließlich die schreckliche Entdeckung machte.«
Die Schilderung hatte Caterina ziemlich mitgenommen. Den Kopf in die Hände gestützt, starrte sie zu Boden. Sie hatte Schwierigkeiten, das Gehörte zu begreifen. Das also war die Erklärung, warum die Männer der Kurie bei der heimlichen Beerdigung Marlenes anwesend waren! Sie fühlten sich schuldig an ihrem Tod. Und das erklärte auch, warum es am Grab zwischen Gonzaga und Moro zu Handgreiflichkeiten gekommen war.
»Gab es außer Gonzaga denn noch andere Männer, die Marlene Ammer den Hof machten?«
Die Signora rieb sich die Augen und gähnte ungeniert.
»Sie meinen, ob Signora Ammer einen hohen Männerverschleiß hatte? – Nein, das kann man nicht sagen. Ich kannte die Signora nicht privat. Ihre Familienverhältnisse interessierten mich nicht.« Sie grinste schief. »Na ja, mir ist nicht entgangen, dass ab und zu ein Kerl auftauchte, nicht mehr der Jüngste, auch nicht der Schönste. Er kam nur sehr selten, und sie sprachen Deutsch miteinander.«
»Hatte er irgendeine Auffälligkeit?«
»Nein. Am auffälligsten war seine Unauffälligkeit. Als Mann war er nur Durchschnitt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Nach längerem Nachdenken stellte Caterina unvermittelt die Frage: »Woher wusste Kardinal Gonzaga eigentlich, dass Sie gelauscht hatten?«
Die Fellini kämpfte mit ihrer schweren Zunge, als sie antwortete: »Das habe ich mich anfangs auch gefragt. Aber dann fiel mir der dritte Mann ein, der Marlenes Wohnung als Erster verlassen hatte. Wer immer das gewesen sein mochte, er muss Gonzaga von mir erzählt haben. Jedenfalls stand Gonzaga am nächsten Tag vor meiner Tür und erklärte, ich müsse noch am selben Tag meine Wohnung verlassen.«
»Ein bisschen viel verlangt.«
»Das kann man wohl sagen. Aber der Kardinalstaatssekretär duldete keinen Widerspruch. Ich hatte die Wahl: ein Grab auf dem Friedhof oder eine Traumwohnung in bester Lage, mietfrei, und eine Apanage auf Lebenszeit. Einzige Bedingung: mein Schweigen.«
Die Uhr zeigte weit nach Mitternacht. Caterina war hundemüde. Was sollte sie mit der Signora in ihrer Wohnung anfangen? Die Frau tat ihr irgendwie leid. Sie war offensichtlich mit den Nerven am Ende. Aber wie
Weitere Kostenlose Bücher